0.103 Was mich am Womo-Leben reizt

7. 9. 2022

Schon zweimal habe ich nach meinem „letzten“ Wohnmobil kurz darauf wieder eines gekauft. Das Thema ist offensichtlich noch nicht erledigt. Bringt die Frage mit sich, was das noch Offene sein mag.

Ausnahmeessen

Aktuell stehe ich am Tisleiafluss an üblicher Stelle. Das Wetter ist sonnig und es gibt Wind. Die Temperaturen machen gegen 16 Uhr das Leben angenehm.

So lässt es sich gut nachdenken.

Ich habe ein kleines Wohnmobil auf VW T4-Basis. Das ist beim Fahren und Parken handlich – fast wie ein normaler PKW. Ich habe unterwegs also ein bequemes Fahrzeug und gleichzeitig eine vollständige Campingwohnung.

Blick nach vorne
Blick nach hinten

Der Wohnraum ist sehr klein. Das erfordert viel Organisation zu jeder Zeit. Soll es aufgeräumt aussehen, dann muss alles Unnötige nach innen verschwinden. das ist eine Herausforderung, da ich in der Regel immer zu viel mitnehme. Doch anders geht es scheinbar noch nicht.

Der kleine Lebensraum will immer wieder umgeräumt werden: Wohnen mit oder ohne Tisch, Schlafen, ist es draußen warm oder kalt, Kochen, Lebensmittel erreichen usw….

Immer wieder Umdenken und Umräumen – die Zeit dafür muss ich mir in Liebe nehmen, sonst macht es keinen Spaß.

In großen Wohnungen sind die Funktionen getrennt und stehen immer bereit. Im Womo erfordert die Kleinheit Mehrfunktionalität.

Würde mir das Organisieren nicht genug Freude machen, dann wäre das Womoleben in Miniatur nichts für mich.

Etwas Großes möchte ich dagegen nicht haben: anstrengend zu fahren, schwer zu parken und wo bei Nichtgebrauchs unterbringen?

Verschwindet optisch fast in der Landschaft

Auch die Pflege ist für ein so kleines Womo leichter: Hier erreiche ich direkt oder mit Leitersteg außen fast alles und innen sowieso.

Themenwechsel: Das Wohin ist wesentlich. Ich liebe die kühleren Bereiche und fahre darum gerne nordwärts.

Ebenso ist das Wie eine wichtige Sache: Früher war das Fahren selbst die Hauptsache. Heute ist das Womo das Vehikel zum Hinkommen und dann meine Wohnung. Am Ort selbst gehe ich zu Fuß oder fahre Rad.

heutige Fahrt mit ordentlich Steigung

Die Reise nach Skandinavien ist immer weit – darum ist bequemes Fahren wichtig. Das bietet der T4. Am Plätscherplatz steht er wegen seiner Kleinheit und unauffälliger Farbe beinahe nicht wie ein Fremdkörper, obwohl er natürlich einer ist, da ich viele Nächte dort am Stück bleibe.

Das längere Bleiben an dem Ort ist ein Graubereich des Jedermannsrechts in Norwegen.

Der Platz bietet Wasser zum Waschen, eine Toilette und fußläufig Trinkwasser sowie eine Einkaufsmöglichkeit.

Campingplatz für Trinkwasser und Einkauf

Themawechsel: Ich bin 71 Jahre alt und spüre deutlich, dass mir vieles schwerer fällt als früher. Während zu Hause alles bequemer geht, weil es vororganisiert ist, ist die Neigung zur Bequemlichkeit groß. Im Womo funktioniert das jedoch nicht.

Ich bin viel näher am Draußen und muss dort einfach funktionieren. Das Womoleben ist insofern eine Art Lebenstraining. Ich kann mich dabei als erfolgreich erleben. Das Müssen bringt somit das Können mit sich.

Bei 3 Grad Sterne und die Milchstraße beobachten ist heute für mich eine Herausforderung, aber es funktioniert noch. Die Milchstraße konnten meine Augen dieses Mal allerdings nicht (mehr) auflösen.

Im Sommer baden im Fluss ist ebenso herausfordernd wie das Fahren auf der belebten Landstraße mit dem Rad. Auch das Übernachten bei Minusgraden und das Frühstück im danach ungeheizten Bulli ist nicht selbstverständlich. Gas will ich sparen für Kühlschrank und Kochen, denn hier oben ist ein anderes System für Gasflaschen als in Deutschland. Auch das bekomme ich noch hin.
Besonders herausfordernd sind längere Radtouren mit vielen Steigungen über geölte Sandpisten. Was nehme ich mit? Es kann nicht viel und nicht schwer sein.

Dieser Rucksack ist das Maximum für Reparaturen und Essen/Trinken

Kontakte habe ich per Handy nach Hause und live in den Geschäften. Andere Platzgäste spreche ich seltener an. Ich fühle mich meistens nicht einsam.

Ein ständiges Gegenüber würde mich hier eher stören und der Platz würde für zwei auch nicht reichen.

Das Alleinesein ist also wichtig. Ich darf keine Hilfe haben und keine Ablenkung von mir und den Erfordernissen.

Das Sehen und Zurechtkommen bei Nacht kann ich hier gut und einigermaßen ungefährlich üben.

Körperpflege und Kleidung sind hier etwas schwieriger als zu Hause: Das Klima erreicht mich sowohl innen wie außen und kann mehrfach täglich ein Umziehen erfordern. Das gilt besonders auch für Radtouren.

Neben dem Leben außen hat auch das Dasein innen seinen Reiz: Vor allem kann ich hier lesen, soviel ich möchte. Es gibt keine Ablenkung.

Fremde Dinge lassen sich auch beobachten.

Wenn das Wetter nicht mitspielt, bin ich weitgehend innen angebunden. Lesen, Sudoku spielen, Umräumen usw…

Es ist auch schön, einfach nur rauszuschauen und nichts zu tun. Bei Sonnenschein kann ich mich auf eine Holzbank legen, wo nach ein paar Minuten die Wirbelsäule ein ausgestrecktes Liegen ermöglicht – ansonsten ist das nicht möglich für mich.

Ich habe hier auch einen Blick für Kleinigkeiten.

Ein Gedanke zu Konventionen: Ich kann hier in eine Flasche urinieren und umgehe so eine Toilette. Die kann ich mit Wasser spülen und bei Bedarf mit Orangenduft gut riechen lassen.

Ich kann auch reparierte Kleidung tragen, ohne dass das jemanden stören muss.

Die Körperpflege findet auf einem Tisch des Rastplatzes statt. Der Betrieb ist hier nicht so stark, dass ich damit andere störe.

von Conny geflickte Jacke

Was lässt sich bisher zusammenfassen? Ich fahre gerne alleine in nördliche Gegend, wo ich mich selbst üben, erleben und beweisen kann.

Der Umgang mit Klima und den Erfordernissen des Wohnmobillebens und das erfolgreiche Einstellen darauf sind ebenso wichtig wie längere Fahrradtouren mit körperlichen Herausforderungen wie auch tollen Ausblicken.

mit Rad und Rucksack am Lieblingsberg – dem Skogshjørnet

Was ich hier mache, liegt oft weit abseits der Komfortzone und wäre für die meisten anderen eher eine Zumutung. Doch für mich ist es hilfreich und aufbauend.

Die Freiheit spielt hier für mich eine herausragende Rolle. In Gesellschaft ist so etwas nicht möglich. Dabei findet so etwas wie eine vorübergehende Auswanderung statt.

Da die einfache Strecke 1500 km lang ist, übernachte ich einmal unterwegs in Schweden.

Das Hobby ist nicht billig: Das eingerichtete Fahrzeug hat einen Wert von etwa 25000 €. Diesel kostet bald 15 Cent pro Kilometer. Fähren verlangen 340€. Das Leben hier kostet etwa 15€ pro Tag. Doch ich zahle keine Stellplatzgebühren, was mir 25 – 30€ pro Tag erspart. Diese 500-600€ machen fast ebensoviel aus wie meine nackten Fahrtkosten. Urlaub nahe dem Zuhause kostet auf einem Campingplatz fast das Gleiche – ist für die Umwelt allerdings besser…

Ohne Verschleiß und Wertverlust kann man etwa 1050€ für drei Wochen Reise für meinen Urlaub kalkulieren. Das sind 50€ pro Tag- verbunden mit einem anspruchsvollen Fitnessprogramm.

spazieren morgens bei Frost und Nebel

Um alt und bequem zu werden, ist mein Womo-Leben nicht zu gebrauchen. Trotzdem werde ich älter und spüre das auch. Wenn ich gut und mit Liebe trainiere, geht mir das alles noch gut von der Hand.
Alt und gemütlich sein ist aber gut gleichzeitig möglich. Doch wirklich alt fühle ich mich noch nicht. Sonst könnte ich nicht so Anspruchsvolles in so ungeschützter Umgebung machen. Vielleicht ist ja auch ein bisschen Trotz von mir dabei. Doch er ist nicht unüberlegt – auch wenn die Risiken mir wohl bewusst sind.

Neumond-Untergang am Plätscherplatz

Meine Womo-Geschichte ist übrigens schon sehr alt: Schon 1973 kaufte ich mir, noch als Student, meinen ersten wohntauglichen T1-Bulli. 1974 gab es mit einer finanziell wichtigen Fahrgemeinschaft die erste Norwegenfahrt.

55 weitere folgten seitdem bisher. Die Zwecke änderten sich, aber Norwegen blieb mein Urlaubsland. Aber es wäre mir zu primitiv, das einfach als Lifestyle abzutun. Dafür ist der damit verbundene Aufwand zu groß.


mein erster Bulli

Hier zeigt sich, dass das Thema Freiheit wohl für mich eine besondere Rolle spielte. Fahrend und wohnend war ich mein eigener Herr – außerdem verwirklichte ich damit einen Kindertraum vom Vehikel, mit dem ich durch Raum und Zeit reiste – auch wenn das Auto nicht fliegen könnte.

Diese Verwirklichung stand noch vor der eines noch nicht geklärten Berufswunsches. Möglich wurde das unter anderem durch Nachhilfeunterricht, mit dem ich gutes Geld verdiente. Später halfen auch die Eltern und Schwiegereltern finanziell mit.

Spiel kam hier vor dem Ernst, was bei mir auch in anderen Bereichen galt. Ich hatte früh eine Abneigung gegen den so genannten Ernst des Lebens, der mir vorgehalten wurde. Da war Trotz im Spiel. Es ist müßig, das jetzt zu psychologisieren.

der wichtigste Bus endete tragisch

Ich schleppte das Thema mit in die spätere Familie. Vom Hochzeitsgeld der Schwiegereltern kauften ich/wir einen T2, der sogleich zum Womo umgebaut wurde. 7 Jahre lang begleitete der mit verschiedenen Ausbauten unsere Partnerschaft und frühe Familie.

Im Lieblingsland Norwegen verunglückten wir schwer. Ich lernte ein zweites Mal gehen, doch Conny wollte seitdem vom Womoleben nichts mehr wissen.

Es gab eine Womopause, bis ich nach Abwertung als Partner die Sache 1998 wieder für mich neu entdeckte. Auch ein pauschaler Tunesienurlaub gab mit den Ausschlag dazu. So wollte ich eben nicht Ferien machen.

1998-2005 mein Womo – im norwegischen Lærdaltunnel

Ich war – trotz Verheiratetsein – gleichzeitig auch wieder teilweise alleine. Und das Womo war wieder zu meiner Sache geworden. Frederik und Anna konnten es eine zeitlang mit nutzen.
Für mich war das Ski-Unterkunft, Sternwarte und natürlich Norge-Wohnmobil.

das einzige Alkoven-Womo

Nach dem Tod meiner Mutter sollte es etwas Größeres vom Erbe werden. Das hatte viele Vor- und Nachteile. Hass und Liebe nahe beieinander. Ich habe den Luxus geliebt und z. B. den Platzbedarf und den hohen Verbrauch verteufelt. Auch die Verarbeitung war mies.
Schließlich richtete MG Umweltzonen ein und dieser Wagen bekam nur gelb. So gab es nur 5 Jahre damit und ich konnte das Womo zum Glück zu einem guten Preis verkaufen.

die nächsten 5 Jahre ein kurzer Synchro T4

Der Nachfoger war nun wirklich ein echtes 1-Mann-Womo. Er bot alles, was das Fahren und Wohnen angenehm machte. Ich investierte in mehr Licht, in mehr Batteriekapazität und in eine LPG-Gasflasche, die mich unabhängig von verschiedenen Tauschsystemen machte. Vor allem aber benötige ich eine grüne Plakette, da ich nun in einer Umweltzone lebte.

In 2015 dachte ich: Das Thema ist jetzt durch, nachdem ein Fenster undicht war und auch der Rost begann. Neu investieren wollte ich nicht mehr. Also wieder Verkauf – zum Glück fand sich ein gut zahlender Käufer. Die Geschichte vom Womo-Ende belehrte mich rasch eines anderen…

wieder mein Letztes: Fiat Ducato

Dieses Womo hielt bei mir wieder 7 Jahre lang. Wie in alle habe ich auch darin viel investiert: Dachfenster, Li-Ionen-Batterie, Partikelfilter für grüne Plakette, mobile Solaranlage – kostete gut 5000€ mehr als der Verkauf des alten.

Genutzt habe ich es dennoch zunehmend weniger. Eine direkte Kaufanfrage 2022 nahm ich als Wink des Schicksals und gab es ab.

Damit schließt sich der Kreis. Der Neue ist da und wird geliebt. Auch hier gab es Investitionen: Kat und Partikelfilter, Li-Ionen-Dienstbatterie, Lehnen-Erhöhung mit Kopfstützen sowie eine Trocken-Trenntoilette. Auch hier stehen 5000€ zu Buche, was für 23.000€ Gesamtausgaben sorgt. Und das für ein 26 Jahre altes Auto, das allerdings in einem erstklassigen Gesamtzustand ist.

Der ‘Neue‘…

Alles das klingt oberflächlich ein wenig wie Bäumchen wechsel dich – aber auch das ist zu banal als Erklärung. Es beantwortet ja nicht, warum ich so hartnäckig am Konzept des Wohnmobils und dem Urlaub damit festhalte. Das muss auch etwas mit dem Zuhause zu tun haben.

Da muss etwas fehlen bzw. zu viel sein: Das Leben in Deutschland ist materiell und in den Beziehungen umfangreich wie auch komplex. Bei aller Sicherheit und Bequemlichkeit ist dennoch für viel zu sorgen. Es ist absolut zutreffend, dass ich dort in einer Zuvielisation , also im Überfluss lebe. Ich habe es dort mit einer Masse an Sachen zu tun, die mich oft auch mehr belasten als sie mir nützen.

Da bietet das Wohnmobil-Leben eindeutiges Einsparpotential. Die Mastercard macht im Ausland sogar Devisen und Öffnungszeiten überflüssig.
Dennoch wird zu Hause fast alles versorgt, wofür sorgt, dass Conny dort bleibt, wenn ich weg bin. Sie hat dafür die Freizeiten mit Rudi, wenn ich am Waidmannweg bleibe. Ich kann dieses Jahr 45 Übernachtungen im Womo vorweisen, was das Projekt bisher eindeutig als lohnend erscheinen lässt.

Bleibt noch ein paar Bilder anzuhängen…

Frederik als 14-jähriger im T4
Mit dem ersten Carthago-T4 in Hochkrimml zum Skifahren und Sterne beobachten
Conny 2003 im T4 in Norwegen
Wohnen im Alkoven-Wohnmobil in Norwegen
Schlafen im grünen Synchro-T4 in Norwegen
Wohnen im Synchro
Schlafen im Fiat Ducato in Schweden
Noch einmal Synchro
Fahrerhaus des Ducato
Im Inneren des Alkoven-Ducato
Das Innere des Kastenwagen-Ducato
Dito
Nochmals zum Schluss der neue Carthago-T4
dito

Schon eine lange Geschichte, die offensichtlich noch nicht zu Ende erzählt ist…