3.91 Persönlichkeit statt Stehen und Gehen an Sucht-Krücken – 4. 7. 2019

In diesem Kapitel geht es um die eigene Persönlichkeit. Ihr gilt meine folgende längerfristige Projektarbeit.

4. 7. 2019

Mit meinem Fahrradprojekt habe ich das Großjubiläum 100.000 km in 12 Jahren erreicht. Da Radfahren statt Autonutzung gut internalisiert und automatisiert ist, kann es zukünftig mit weniger Konzentration auf dieses Thema weiter betrieben werden.

Würde mich jemand fragen, was denn für die kommenden 12 Jahre oder eventuell auch einen etwas kürzeren Zeitraum mein neues Groß-Ziel ist, dann kann es reflexartig heißen: „Vor allem gesund bleiben!“

Das will ich gerne aufgreifen und genauer nachfragen: Was gehört so zum Gesund-Bleiben? War das beim Radfahren vor allem

  • das Meiden von Unfallrisiken, wo sich bei mir immer noch Besserungsbedarf zeigte,
  • Pflege und Wartung der Technik und
  • das richtige Einschätzen der eigenen Möglichkeiten in Abhängigkeit von Gelände, Strecke, Steigungen, Straßenzustand, Wetter mit Wind, Sonne, Niederschlägen etc.,

so ist der Blickwinkel hier viel weiter: Nicht nur körperliche Gesundheit wird angestrebt, sondern ich will mich auch um meine persönliche weitere Entfaltung kümmern. Dazu gehört es, die unterschiedlichsten seelischen und geistigen Bereiche auf meinen Entwicklungsstand hin zu durchstreifen.

Es geht auch darin nicht ohne Risikobewertungen: Welche Bereiche wurden vernachlässigt und gefährden mich in welcher Weise durch mangelhafte Entwicklung in meinem persönlichen, innerfamiliären wie auch gesellschaftlichen Alltag?

Ein nützliches Werkzeug zur Grundorientierung erscheint mir die Abfolge von Kopf, Herz und Hand bei der Betrachtung meiner selbst im aktuellen Alltag. Es sind ja Gedanken und Motive (Antriebe), die dem Handeln vorangehen. Mein Blick hat sie alle drei zu berücksichtigen.

So wie beim Radfahren gibt es auch hier nützliche, aber auch abträgliche und riskante Gedanken, Motive und Aktionen. Da ich mich schon etwas länger kenne, weiß ich selbstverständlich um vorhandene Problembereiche. Jetzt geht es darum, sie zu erfassen und angemessen zu würdigen, bevor ich mich um Entfaltung zum Besseren umschauen kann.

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Worauf bin ich im Alltag hin ausgerichtet und wo hakt es in meiner Entwicklung schon lange?

  • Persönlichkeitsentfaltung ganz allgemein: Ich style mich körperlich bzw. umgebe mich mit Dingen eher aus dem Bereich des Kindlichen und Jugendlichen (Frisur, Kleidung, Kuscheltiere, ‚flottes‘ MTB, Wohnmobil etc.). Ich weise damit darauf hin, dass ich zwar an Jahren ein alternder Mann bin, dass ich im Inneren aber noch starke kindliche und juvenile Anteile aufweise, die sich auf diese Weise Ausdruck verschaffen.Meine Erscheinung will zu einem intellektuellen und politischen Menschen mit Lebenserfahrung nicht recht passen. Das dürfte mich vielen fremden Menschen zumindest auf oberflächlicher Ebene als ‚fragwürdig‘ erscheinen lassen. Wo liegt der Inhalt wie auch Sinn dieser Äußerlichkeiten und welche Entwicklungshemmnisse liegen ihnen heute (immer noch) zugrunde?

 

  • Ernährungsverhalten: Ich esse und trinke beiweitem nicht nur zum Sättigen von Hunger und Durst. Ich habe hohe Erwartungen an positive Reize, die mein Essen/Trinken bei mir auslösen soll. Umschreiben lässt sich mein Ernährungsverhalten (etwas sperrig) als Lebensinhalt mit dem Schwerpunkt ‚Sex mit den sinnlichen Möglichkeiten rund um Nahrungsmittel/Getränke und deren aufreizende bis berauschende Veränderung meiner sensorischen Selbstwahrnehmung‘. Essen und Trinken sind befrachtet mit eigenen Erwartungen und ein schöner, mit viel Aufwand zelebrierter Zeitvertreib.
    Ich esse/trinke gierig und viel. In Kombination mit sozialen Situationen oder Fernsehen ist mein Bedarf besonders deutlich. Gleichzeitig habe ich seit Verfestigung dieser Haltung immer wieder mit Übergewicht und seinen unangenehmen Nebenwirkungen zu tun. Es ist scheinbar äußerer Ausdruck einer inneren Leere, die als Hunger meiner Seele auf materieller Ebene essend und trinkend ausgetragen wird. Eine untaugliche Art von Suche und damit ein Suchtverhalten!
    Ich habe an meinem Umgang mit Nahrungs- und Genussmitteln wortwörtlich schwer zu tragen, es macht mich vollgefüllt träge und es kostet mich viel Zeit, die für persönliche, soziale und politische Aktivität fehlt.

  • Daran schließt sich nahtlos das Thema Sexualität an: Sex war für mich früh – ganz altersangemessen – ein Spiel mit körperlichen Reizen. Das galt ab der Frühpubertät ebenso für Selbststimulationen wie auch für Projektionen von Wünschen auf imaginäre oder auch wirkliche, meist kindliche oder frühjuvenile, meist auch männliche Personen. Von diesen bis heute nicht klar überwundenen Erwartungsbildern kann aber heute jederzeit eine Gefahr ausgehen, da nur das Anheften von Blicken und das Nachschauen bereits Aufmerksamkeit und Energien aus dem eigenen persönlichen wie auch sozialen Alltag abziehen. Sexuelle Projektionen fixieren und machen dadurch regelrecht blind für vieles andere.  Auch hier scheint eine gewisse innere Leere oft Antrieb für sexuell orientierte Gedanken und Aktionen zu sein. Sie binden Aufmerksamkeit und Energien, die im Alltag für andere Dinge zur Verfügung stehen sollten. Das schwächt mich und mein Umfeld; auch hier geschieht eine ungeeignete Suche, die im Grunde wahrscheinlich keine sexuelle Ursache hat, eine gelebte Sucht.
    Suche ich nicht eher besseren Kontakt zu mir selbst und anderen, nach Nähe und Zugehörigkeit/Vertrautheit oder auf einer anderen Ebene nach spannenden Begegnungen, in denen ich mich für etwas mir Sinnvolles/Wichtiges einsetze?

  • Besitz und Geld spielten von früh an bei mir eine große Rolle:
    In meinem Besitzstreben ging es entweder um aufreizende Nahrungsmittel (meist Schnellrestaurant oder Wirtschaft) oder aber um Liebhabereien, für die ich von klein an sparte. Da es dabei oft um life-stylische Dinge ging, war der Finanzbedarf schon früh groß. Bereits mit 15 Jahren verfügte ich uber ein Einkommen von 300,- DM monatlich. Später ließ ich mich von meinem ersten Auto gefangen nehmen, für dessen Unterhalt und Nutzung ich mein Studium schleifen lassen musste. Zeit und Kraft sind eben nicht unbegrenzt vorhanden. Auch in diesem Bereich folgte ich Augenblicksreizen, die mich in hohem Maße blind machten für übergeordnete Interessen. ‚Spaß‘ ging vor ‚Was bringt das wirklich?‘  Meine Finanzen sah ich stets als MEINE Sache an, mit der ich allerdings auch in der Partnerschaft über sehr lange Zeit das Teilen erst lernen musste. Ich benötigte für meine vielen Wünsche ein gehobenes Einkommen – wegen meines gesundheitlich riskanten Lebensstils allerdings auch die Sicherheit des Beamtenstatus. Meine Berufswahl als Lehrer schaffte weitere Risiken aus dem Bereich der Projektionen (s. o.). Mein Wohnmobil verkörpert in besonderer Weise meinen verspielten, wirtschaftlich stark belastenden  Freiheitsbegriff. Mit einem Einkommen weit über den wirklichen Bedarf hinaus kann ich als Pensionär heute ganz schön herumspielen und so eine Menge Umweltlasten verursachen. Hier wird es um freudvolles Bescheiden gehen und um das sinnvolle Weitergeben des nicht selbst Benötigten.

  • Beziehungsführung: Ich spürte früh, dass viele meiner eigenen Motivationen bei meinen Mitmenschen auf wenig Gegenliebe stießen. So sicherte ich mir das vermeintlich Meine durch Rückzug von den anderen und das Leben in einer phantasievollen Parallelwelt, zu der andere keinen oder kaum Zutritt hatten. Für mich selbst war meine Welt dagegen weitgehend stimmig – wenn ich auch meinen Sonderling-Status sah, ihn aber akzeptierte, ohne damit aber die Behauptungen und Definitionen derjenigen für mich zu übernehmen, die mich aus ihrer persönlichen Sichtweise heraus ins Abseits stellten. Daraus resultierte meine Außenseiterrolle, in der ich von anderen nicht wirklich ernst genommen wurde. Ich hatte meine Zeitvertreibs-Freunde mit Musikhören, Essen und Trinken gehen und Fußballspielen, mit denen ich zusammen kam, wenn ich darauf Lust hatte. Ein offenes Ohr für Sorgen und Nöte anderer hatte ich kaum – ich kannte mich ja selbst nur in wirklich geringer Weise, da meine sozialen Strebungen wie auch Wahrnehmungsfähigkeiten wirklich wenig entwickelt waren. So sah ich auch mich weniger als einen Mensch mit Nöten sondern eher mit Luxusproblemen. Mein Einzelgängertum schafft noch heute eine gewisse Distanz zu jedwedem Mitmenschen, die es mir und anderen schwer macht, uns unmittelbar persönlich zu begegnen.

Alle diese Punkte finden sich in früheren Betrachtungen von mir wieder. Doch es soll ja nun etwas angestoßen werden, das ähnlich wie beim Fahrradprojekt zunehmend Früchte trägt, die meine Lebensqualität bessern. Die Besserung soll mich hin zu einem persönlich, sozial und gesellschaftlich nachhaltigeren Lebensstil führen, der alle die oben genannten Krücken überflüssig macht.

Beim Fahrradprojekt stand am Beginn der Kauf eines neuen Rades, obwohl ich über ein ordentliches verfügte. Ich nahm mich auf diesem Weg in die Pflicht, auch wirklich etwas Neues zu beginnen und es durchzuziehen.

Wie sähe ein Zukunftsbild von mir aus, das sich im Verlauf meines neuen Persönlichkeitsprojektes (das wohl auch noch einen griffigeren Namen benötigen wird) entwickeln wird, konkret aus?

Um die Punkte von oben dafür kurz durchzugehen:

  1. Meine äußere Erscheinung wird die eines gestandenen, mitten im Leben stehenden Endsechzigers, der noch ein wenig beweglich, offen und interessiert ist.
  2. Essen und Trinken werden in ihrer Bedeutung für mich deutlich kleiner. Ich verbringe eine klarer strukturierte und begrenztere Zeit damit – gerne auch in Gesellschaft. Aufreizende Sensationen damit werden uninteressanter. Da mein Alltag spannender wird, muss ich meine Zeit nicht mehr auf diese Weise ausfüllen.
  3. Ähnliches gilt für meine Sexualität: Sie wird mit ausgefüllter, interessanter Alltagszeit weniger wichtig. Auch hier kann die Spielerei in Phantasien, Projektionen und Handlungen zunehmend durch Sinn stiftendere Aktionen und Inhalte weitgehend entfallen, der die Zeitvertreibe weitaus weniger wichtig bleiben lässt.
  4. Geld wird weniger wichtig, da meine lebendigeren Beziehungen zur neuen Währung werden. Sicherheiten wie große Ersparnisse oder Sammlungen können zurückgefahren werden. Ich komme überhaupt mit weniger Dingen aus und kultiviere einen möglichst kleinen ‚Sachenpark‘. Vieles von meinem Sach- und Geldbesitz kann weitergegeben werden.
  5. Ich mache die Grenze zwischen mir und anderen durchlässiger: Ich teile mich mehr mit, arbeite an mir und meinem eigenen Innenleben wie auch an lebendigen Beziehungen zu anderen. Der gemeinsame Nenner wird von Interesse. Ich setze mich bewusst ein und löse mich ebenso bewusst von Aktionen und Personen, wo sie überfordern, unangemessen bzw. auf andere Weise unpassend geworden sind. Mir ist nicht mehr gleichgültig, was andere von mir denken – allerdings mache ich mich auch nicht zu abhängig von der Zustimmung und Anerkennung anderer. Mein Blick für Interessenlagen und Motivationen wird nach innen wie nach außen hin wacher, klarer und darauf abgestimmt. Ich lerne beherzt, aber ausreichend fair zu reagieren und übe mich im Kontern und im Argumentieren. Ich werde schlagfertiger. Ich ertrage Zurückweisungen, herabwürdigende und unsachliche Kommentare besser als bisher, also ohne dadurch in schwer kontrollierbare Wut, Verletztsein oder lähmende Enttäuschung/Rückzug zu verfallen.

Betrachte ich mich heute und die zuvor nummerierte Beschreibung meiner selbst und meiner Lebensweise für die längerfristige Zukunft, so bin ich heute noch meilenweit davon entfernt. Doch ich benötige eine Entwicklung in diese Richtung – und sei es nur, um Einsamkeit im Alltag und im Alter zu vermeiden. Dazu gehört auch ein stabiles soziales/familiäres Umfeld, das mich begleitet und das mich ebenso stärkt wie ich Motivation verspüre, auch dieses Umfeld zu stärken. Allerdings gehört dazu nicht nur das nahe Umfeld. Der Blick gehört auch auf regionale und globale Ebene geweitet; Aktionen von mir gehören dazu – sei es mit Geld oder aber ebenso mit persönlichem Einsatz.

Alles was da heute mit mir ist, hat für mich Sinn und System. Es ist genau das Leben, das ich so für mich entwickelt und organisiert habe. Insofern sollte ich das aktuell durchaus würdigen und auch schätzen. Doch das Bessere ist eben des Guten Feind. Insofern muss ich mit dem heutigen Status Quo auch nicht bis an mein Lebensende zufrieden geben. Leben bedeutet Veränderung, Entwicklung und Entfaltung. Nur daraus ergibt sich Lebendigkeit, Interesse wie auch Zufriedenheit.

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Wie könnte mein neues Projekt, das über lange Zeit laufen wird, bezeichnet werden? Da mich einerseits Süchte binden und ich durch starke Entwicklungshemmnisse geschwächt in meiner Selbst- und in der sozialen Wahrnehmung bin, komme ich heute ohne meine durch Süchte begründeten’Geh- und Stehhilfen‘ im Alltag nicht wirklich aus. Ich habe meine seelisch geistige ‚Muskulatur‘ ebenso zu kräftigen wie auch meine soziale.

Darum könnte mein Projekt heißen:

  1. ‚Ich kräftige meine geistig-seelische wie auch soziale ‚Muskulatur‘ und lege belastende, mich schwächende Geh- und Stehhilfen in meinem Alltag ab‘.
  2. ‚Aufbau einer standfesten Persönlichkeit in einem stabilen sozialen und globalen Umfeld‘ wäre eine weitere positiv formulierte Titulierung.
  3. ‚Innerlich wachsen und Persönlichkeit werden statt stehen und gehen mit Hilfe von Sucht-Krücken‘ hört sich allerdings weitaus griffiger an.
  4. ‚Kindliche Liebhabereien ablegen und Persönlichkeit stärken‘ hieße eine kurze, aber doch recht allgemeine Projektbezeichnung, die allerdings den Kern der Sache trifft.

Zeit- und kraftaufwändiges Aufreizen/Berauschen mit Nahrungs-/Genussmitteln, Flucht in Schniedeleien, Gefangensein in umfangreichem Besitz, Vereinzelung und Hemmung im riskanten sozialen Alltag sind keine erwachsenen Alltagsstrategien. Der Bereich ist umfangreich und bedarf einer größeren Entwicklungszeit.

Doch wo anfangen?

Als Anregung ein (ausführlicherer) Rückgriff auf ‚Fahrrad statt Auto‘. Beim Fahrradprojekt war das einfach: Als selbstverpflichtenden Akt kaufte ich mir ein neues, hochwertiges Fahrrad und verfügte damit über das Vehikel, mit dem ich mein Projekt betreiben konnte. Das war nur ein Anfang; beim Umsetzen des Projektes ergaben sich nach und nach Probleme mit Lösungsbedarf wie

  • Pannenschutz,
  • Lastentransport,
  • Wetterschutz,
  • Pannenbewältigung unterwegs,
  • Unfallschutz aktiv wie auch passiv,
  • Stabilität,
  • Federung,
  • Beleuchtung,
  • Durchschnittsgeschwindigkeit,
  • Bergtauglichkeit,
  • Transport mit öffentlichen Verkehrsmitteln,
  • Tragen über Treppen,
  • Gesamt-Systemgewicht, etc.

Ich probierte vieles aus und kam zu Lösungen, die dem jeweiligen Interessenschwerpunkt entsprachen. Beispiel Lastentransport: Ich begann mit einem Einradanhänger, der das Gesamtsystem weniger belastete als z. B. meine sehr stabilen Gepäckträgertaschen. Doch das Rad wurde so viel länger und auch der Anhänger erwies sich auch als reparaturbedürftig bei meiner hohen Laufleistung. Also doch wieder Gepäckträgertaschen und wie schon zuvor Lenkertasche für die kleinen Teile. Als ich Wendigkeit bevorzugte, kam das Birdy und mit ihm kleinere Taschen. Doch das System litt unter hoher Dauerbelastung; der Rahmen hielt nicht. Auch wollte ich selbst nicht mehr schwere Fahrradlasten heben müssen. Folge war das Leichtrad, früh ohne Gepäckträger und damit der Lastentransport im Rucksack. Hierbei von Beginn an das Mühen um knappes Transportgut mit der steten Frage: Reparaturset mitnehmen oder nicht? Unterwegs-Verpflegung mitnehmen oder nicht? Der Verzicht auf beides schont das Gesamtsystem, das sich im leichtesten Fall um die 115 kg bewegt. Das ist nach gut 10 Jahren der aktuelle Stand, der bei Bedarf aber auch Einkäufe mit bis zu 10 kg Gewicht auf dem Rücken ermöglicht. In der Regel sorge ich aber lieber für kürzere Einkaufsintervalle und fahre weniger belastet. Wäre ich allerdings 15 kg leichter, täte es das Birdy weiterhin besser für mich. Ich würde keinen Rucksack benötigen und müsste meinen Rücken nicht mehr unterwegs verschwitzen. Genau an dieser Stelle trifft sich mein Projekt ‚Fahrrad statt Auto‘ mit meinem nun beginnenden neuen Persönlichkeitsprojekt.

Mit einem angemessenen Ernährungsverhalten würde sich mein Gewichtsproblem erledigen; ich würde automatisch deutlich leichter werden. (Eine hier nahe liegende verstärkte isolierte Konzentration auf mein Ernährungsverhalten alleine bringt allerdings erfahrungsgemäß nicht viel, weil es am Kern des Problems vorebeizielt.) Damit könnte ich auch wieder das Birdy betreiben, das leer knapp 14 kg wiegt. Eine Tasche kann ich zum Rucksack umfunktionieren; das Rad kann gefaltet in Bus und Bahn ohne Einschränkungen mit. Das ist vorteilhafter als bei den Leicht-MTB’s, für die Ich zusätzlich eine Fahrradkarte lösen muss, oft auch die teurere mit Vorreservierung; außerdem sind mir ICE mit MTB vollständig versperrt – eine Lücke, die aktuell mein Brompton füllt. (Bei Pannenschutz, Fahrkomfort und auf unebenen, unbefestigten Wegen sind allerdings dir MTB vorteilhafter – das bleibt vorläufig ein ungelöster Konflikt mit viel Platzbedarf in der Garage.)

Nun wieder zum Projekt ‚Suchtfreie Persönlichkeit‘: Wenn ich mich im Alltag ‚bewege‘, habe ich dort viel zu erfassen und zu steuern. Wie ich mich (mit Gedanken, Motivationen und Aktionen), meine materielle und soziale Mitwelt wahrnehme und handele, ist jetzt mein Schwerpunktthema.

Essen/Trinken, meine Sexualität, mein mich umgebender Besitz und meine Beziehungen (sowohl zu mir selbst als auch zu Mitmenschen und Mitwelt) sind mein Tätigkeitsfeld, auf das ich ab sofort mehr Aufmerksamkeit, Zeit und Energie aufwenden will. Das wird keinesfalls ein Rückzug auf mich selbst, denn nicht nur über körperliche und seelische Rückmeldungen von mir selbst habe ich Feedback über den Stand der Dinge, sondern auch über meinen Besitz und die Lasten, die er mir auferlegt wie auch über die Reaktionen meiner Mitmenschen auf mich im Alltag konfrontieren mich immer wieder mit Problemen, die sie mit mir haben.

Noch lebe ich ja in vielerlei Hinsicht weitgehend verborgen und isoliert von meiner äußeren Lebenswelt. Eine bessere Durchlässigkeit und Integration beider Bereiche wird von mir angestrebt. Damit das gelingen kann, komme ich nicht umhin, meine Innen- und Außenwelt mehr einander anzunähern und mich damit zu versöhnen, dass viele kindliche und juvenile Anteile in mir in ihrer Bedeutung zurückgefahren werden müssen. Sie sind nicht das Eigentliche, sondern vor allem unbekümmerte, frühmenschliche Anteile, zu denen sich weitere gesellen. Im Alltagsleben mit anderen haben sie sicher keinen großen Platz.

Mich schwächende bzw. auch gefährdende kindliche Anteile habe ich wachsam im Blick zu behalten, damit sie sich nicht in mir breit machen können. Solange das nicht geschieht, kann von ihnen keine wirkliche Gefahr ausgehen. Ich erkenne sie als das an, was sie sind: frühmenschliche Regungen, die in einem solchen Entwicklungsstand passend sind – nicht aber in dem meinen. Die Kinder sind durchaus nicht die besseren Erwachsenen, wie ich das in meiner umfangreichen Arbeit aus dem Jahr 2000 ‚Gedanken zur Rückenproblematik‘ durchaus noch in gewisser Weise empfunden hatte. Sie sind mir verwandte Wesen, die aber mir gegenüber noch nicht verantwortlich beziehungsfähig sind. Ich kann und darf mich ihnen gegenüber nicht als ein Partner sehen, sondern kann sie ’nur‘ anregend, aufmunternd, schützend vor sich selbst und anderen begleiten und führen. Ich muss ihre begrenzten Möglichkeiten und die notwendige Einbindung in deren Familie stets mit bedenken. Sowohl das Kind als auch deren Eltern haben andere Maßstäbe als ich. Insofern kann ich lediglich eine Gruppe mit konkretem Inhalt und Ziel beaufsichtigen, begleiten und ggf. führen.

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‚Einfach drauf losfahren‘, war in 2007 meine Devise. Das Fahrrad-Projekt war keinesfalls von langer Hand vorausgeplant. Ich benötigte nur ein gutes Rad für den Start. Das konnte ich kaufen und dazu noch Wetterschutz. Fahrradtaschen hatte ich noch von 1999 mit dem Creasta-Rad. Alles andere ergab sich aus den dann gemachten praktischen Erfahrungen.

‚Einfach mal in die Begegnung mit mir und anderen gehen‘, so würde ein ähnlich unbekümmerter Start hier benannt werden können. Doch was benötige ich dafür?

  • Mir selbst kann ich besser begegnen, wenn ich alkoholfrei (zumindest alkoholarm) durch den Alltag gehe, weil ich dann besseren Zugang zum eigenen Inneren habe.
  • Auch der Bereich ‚Essen/Trinken‘ gehört in einen weitaus engeren, am besten klar strukturierten Zeitrahmen gefasst. Nur in gelangweilter Form in einem unterfordernden Alltag werde ich den stets ausdehnen wollen und ihm großen Raum geben.
  • jegliche sexuell motivierte Betrachtung bzw. Projektion habe ich wachsam zu begleiten und einzuordnen. Es geht ja nicht ums Unterdrücken, aber auch um das rechte Einordnen und klare Begrenzen.
  • Materielles Habenwollen hat eher einem Benötigen zu weichen. Das willkürliche Erstreben bedarf der gleichen Art von Aufmerksamkeit wie unangemessene sexuell motivierte ‚Betrachtungen‘ bzw. Projektionen.

Doch was wird mein ‚positives Vehikel‘ sein? Ich benötige eine bereits vorhandene Struktur, die ich benutzen kann, um erste Bewegungen im neuen Projektraum machen zu können. Der Raum muss relativ sicher sein, er muss mir Spielraum und Sicherheit gleichzeitig geben können.

Mein ‚Vehikel‘ muss mich ein wenig ’stärker‘ machen, als ich es von Natur aus bin. Es muss meinen Hebel verstärken. So etwas leisten z. B. menschliche Zusammenschlüsse. Allerdings nicht unbedingt solche, die vorrangig alleine der reinen Gesellschaft dienen, obwohl ich die nicht abwerten will. Doch wenn es um die Erreichung von Zielen geht, die verbindlich angestrebt werden, dann steckt dahinter eine andere Power.

Aktionsbündnisse, Bürgerinitiativen, Vereine (z. B. im Bereich Flüchtlinge, Umweltaktionen, Menschenrechte, Demokratie, Seniorenbetreuung), evtl. auch politische Orts(teil)gruppen könnten vielleicht als solche Vehikel dienen. Eher nicht geeignet erscheint mir aktuell die Betreuung einer Kindergruppe.

Wichtig sind z. B. klare Ziele, regelmäßige Treffen mit Planungen,  Aufgabenverteilung und Reflektion des jeweils Gelaufenen. Die Aktionen zielen in mehrere Richtungen: Einflussnahme auf politische und wirtschaftliche Entscheidungsträger einerseits sowie Mitgliederwerbung andererseits. Auch im Bereich Seniorenbetreuung wäre der Kontakt in zwei Richtungen gegeben: einmal in Bezug auf die alten Leute selbst – andererseits mit erfahrenen Fachleuten, die informieren und Hilfen geben oder vermitteln können.

Auch infrage kommen Menschenrechtsorganisationen, ggf. mit Betreuung von Benachteilgten, Inhaftierte etc.. Mich könnten auch ernsthafte Entwicklungshilfeorganisationen interessieren, die einerseits beim politischen und wirtschaftlichen Entwicklungs-Aufbau helfen, die andererseits aber auch den eigenen Lebensstil und dessen Rückführung auf ein ökologisch vertretbares Maß betreiben. Hilfe nach außen ist sicher notwendig; aber Hilfe nach innen ist auch beim Rückbau der überbordenden Lebensweise – gespeist aus einem maßlosen Anspruchsdenken – eine wesentliche Aufgabe.

Eine Art Selbsthilfegruppe, die oben genannte Hilfe vor allem nach innen bewirken soll, erschiene mir persönlich reizvoll: Allerdings wäre ich zunächst nicht in einer führenden Position tätig, sondern müsste mich einer bestehenden Gruppe anschließen. Diese Gruppe hätte den jeweiligen Stand ihrer Mitglieder zu kennen und zu respektieren. Sie würde auch anhand von gelebten Beispielen von außerhalb Anregungen suchen und erfahren. Aus beiden Quellen gespeist würden die Gruppenmitglieder persönliche und eventuell auch gemeinsame Änderungen überlegen, planen und verbindlich durchzuführen. Kernstrategie wäre hier eine positive Konkurrenz und Kooperation der Gruppenmitglieder. Jeder hat vorrangig selbst zu entscheiden, wie er sich mit einbringt. Wichtig wäre dabei auch, dass das Gefälle von ’starken‘ Mitgliedern zu ’schwachen‘ Mitgliedern nicht zu stark wird. Wer nur zuhören und mitreden will, ist auf Dauer fehl am Platz. Es geht ja um praktische Änderungen – vorrangig nfür jeden selbst, aber vielleicht auch bei den Mitgliedern und aktionsweise auch öffentlich wirkend, wenn das gemeinsam organisiert wird.

Eine solche Gruppe hätte für mich den Vorteil, dass ich motiviert und angetrieben würde, weitere Fortschritte in Richtung ökologische, ökofaire Lebensführung zu machen, wofür ich per se Interesse habe wie auch am Radfahren. Doch gibt esa solche Gruppen? Hier muss ich selbst aktiv suchen.

Das Thema ‚Dienen‘ steht meinem hohen materiellen und sozialen wie auch politischen Anspruchsniveau direkt gegenüber. Meine Suche nach einem Vehikel für meine weitere Entwicklung kann überall dort erfolgreich sein, wo das eigene Unterwerfen unter einer ‚höheren‘ Aufgabe wesentlicher Inhalt der Gruppenaufgabe ist. Nicht ich bestimme die Maßstäbe und die Aufgaben, sondern die Gruppe, die sich den konkreten praktischen Problemen stellt. Meine persönlichen Möglichkeiten und Grenzen sind allerdings von der Gruppe zu respektieren.