7. Wieviel geliebtes und ungeliebtes Polit-Partei-Europa steckt in mir selbst?

27. 5. 2019

(Opa und Enkel beim Einzug in das neue Eigenheim)

Polit-Partei-Europa – dieser Artikel entsteht im Umfeld der aktuellen Wahlen für das Europaparlament, in der die bisherigen Volksparteien (weiterhin) auf dem Rückzug in der Wählergunst zu sehen sind – außerdem die Grünen, Rechtspopulisten und neue, kleinere Parteien im Aufwind.

Polit-Partei-Europa entspricht hier auch eigenen inneren Grundeinstellungen, die uns im Alltag begleiten und antreiben zu dem, was wir darin Gutes und weniger Gutes tun.

Jemand wie ich will nur ungerne mit CDU und SPD assoziiert werden – noch weniger lieb wäre mir die Unterstellung einer persönlichen Nähe zu Rechtspopulisten wie der AfD. Der Linken wie auch den Grünen sehe ich mich da schon viel näher wie auch der Tierschutzpartei. Doch die aktuell gelebte Realität in Europa findet von deren Positionen leider nicht so viel abgebildet.

Das führt mich zu der Frage: Wenn das im heutigen Europa nicht der Fall ist, wie sieht es dann tatsächlich bei dir selbst aus? Wie weit klaffen behaupteter eigener Anspruch und Alltagswirklichkeit auseinander? Was findet sich da bei mir von dem Wirken der großen Koalition von CDU und SPD in Berlin wie auch Brüssel bei mir wieder? Ticken bei mir gar auch AfD-Abteilungen im Inneren? Diesen Fragen stelle ich mich hier vorurteilslos – anderenfalls hätte es auch wenig Sinn.

Seit meinen jungen Erwachsenenjahren wird den Politikerinnen vorgeworfen, sie wirtschafte auf Kosten der nachkommenden Generationen – gemeint vor allem in Bezug auf das Schulden machen im Staatshaushalt wie auch in der Ausbeutung irdischer Ressourcen wie auch der Verschmutzung von Luft, Boden bzw. Gewässern.

(Jungenportrait auf einer norwegischen Hausfassade)

Polit-Partei-Europa – beginne ich hier mit den größeren politischen Parteien in Deutschland, die auch im Europaparlament vertreten sind. Wofür stehen sie? Einer gewissen Pauschalisierung will ich mich dabei nicht entziehen, um aus der Vereinfachung mehr Deutlichkeit zu gewinnen:

  • Es beginnt mit der CDU. Sie steht für Nähe zum Finanz(un)wesen, Industrienähe, Intransparenz durch Hinterzimmerpolitik, Primat der Wirtschaft als übergeordnetes Interesse vor den Menschen. Sie steht auch für Militär, Verteidigung und eine gewisse Hörigkeit zur ‚Schutzmacht USA‘. Ihr (wie auch der SPD) ist die Förderung der Rüstungsindustrie Deutschlands nahe. Dass Deutschland Exportweltmeister ist, wird der CDU zugeschrieben. Von ihr erwartet der Wähler einen hohen materiellen Lebensstandard, sichere Arbeitsplätze, eine stabile Währung, sichere Renten und Ruhe vor ungeliebten Themen wie Umweltprobleme,aller Art. Das legen ihre Wähler in deren Hände. In Umweltfragen gilt die Partei als eher desinteressiert. Die Jugend fühlt sich von ihr am wenigsten angesprochen. Der CDU haftet das Etikett des ‚Weiter so!‘ als eher rückständig an – mit einem falschen Verständnis für Fortschritt als wirtschafts- und finanzbezogen.
  • Die SPD steht für Arbeiterpolitik, Mühen um gute Arbeitsbedingungen und soziale Absicherung. Der Staat soll für möglichst alle möglichst viel bereitstellen und organisieren. Dementsprechend kostspielig sind vielfältige Projekte. Man sagt der Partei nach, dass sie mit Geld allzu sorglos umgeht. Das Profil der SPD enthält jedoch auch viele Facetten der CDU – vor allem Arbeitsplätze, Lebensstandard & Co.. Dementsprechend ist auch ihr öffentlicher Ruf in Umweltthemen eher schwach. Die SPD steht allerdings intern als streitbar: Konflikte werden weitaus offener ausgetragen als innerhalb der CDU.
  • Die Linke ist ein abgespaltener Teil der SPD, in dem auch alte Politkader aus den neuen Bundesländern integriert sind. Sie fechten für Gleichstellung der östlichen mit den westlichen Bundesländern, für Frieden und Entmilitarisierung, soziale Gerechtigkeit, Toleranz und Vielfalt. Diese Partei gilt den meisten anderen als kaum koalitionsfähig. Am liebsten stempeln diese die Linke als reine Protestpartei ab.
  • Die FDP war früher eine Partei für Wirtschaft, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. Heute gibt sie sich als innovativ im Sinne von Hochtechnologie einschließlich Digitaltechnik – verbunden mit entsprechenden Ausbildungsstandards. Die gesellschaftlich Schwächeren scheinen sie eher nicht zu interessieren.
  • Die Grünen entstanden im Zuge der Atomkraftwerke, der seit dem ‚Club of Rome‘ nachgewiesenen Übernutzung der Erde und des atomaren Kalten Krieges in den späten siebziger Jahren als Gegenkraft mit dem Ziel von Friedenspolitik, Umweltpolitik und Toleranz in einer vielfältigen, offenen Gesellschaft. Mit deren Einbindung in Koalitionen kam es aber auch unter deren Mitwirkung zu militärischen Einsätzen der Bundeswehr im Ausland. Dass die Grünen aktuell zur zweiten politischen Kraft in Deutschland wurden, liegt vor allem an ihrer Betonung der Umwelttheme, die sie angehen und lösen will – vor allem den Bereich der Klimaerwärmung, der weltweit für massenhafte Katastrophen wie auch Flüchtlingswellen sorgt. Die Partei will ökologisches Wirtschaften auf allen Ebenen erreichen.
  • Ich komme nicht umhin, mit der AfD auch die viertstärkste politische Gruppierung in Deutschland aufzuführen. Sie steht für Rechtspopulismus, der einfache Lösungen für komplexe Probleme anbietet, der als fremdenfeindlich gilt und der Deutschland am liebsten den Deutschen vorbehalten will. Nationalismus soll ein ‚Germany first‘ der EU vorziehen. Die gesellschaftliche Frauenrolle wird als rückwärtsgewandt betrachtet. Man fürchtet sich vor Überfremdung und kultureller Vielfalt in einem offenen Miteinander. Die Nähe zu Rechtsradikalen bringt die Unterstellung eines problematischen Verhältnisses vor allem zu den Medien, aber auch zur etablierten Politik der Mainstreamparteien mit sich. Die AfD leugnet den Klimawandel und betreibt keine nennenswerte Ökologie-Politik.

(spielende Jungen an einer hafenwärts gerichteten alten Kanone an einem Berg in Alesund/Norwegen)

Nun zu mir. Ich bin in einer Kultur aufgewachsen, in der die ‚alten Kräfte‘ von mir als überstark erlebt wurden. Ich war wenig ermutigt, wirklich neue Wege zu gehen. Ich strebte früh nach Konsum, einem überdurchschnittlichen Einkommen, nach Genuss, Besitz und einem ganz durchschnittlichen Familienleben. Zwar fürchtete ich die interkontinentalen Atomwaffen und fand deren massenhafte Existenz ebenso falsch wie die Atomkraftwerke mit ihrer Angreifbarkeit ebenso wie ihrer unlösbaren Müllproblematik – doch konzentrierte ich mich in allererster Linie auf Ersteres. Meine inneren und alltäglichen Automatismen finden somit vorwiegend in der CDU ihre Entsprechung – ob mir das nun gefällt oder nicht – auch wenn ich die Partei noch nie gewählt habe.

Ich wuchs in einem ‚gutbürgerlichen‘ CDU-Umfeld auf – mit deftigem und reichlichem Essen, mit selbstverständlichem, häufigen Rauchen sowie Alkoholgenuss und ohne Angst, davon vorzeitig krank oder siech zu werden. Genuss ging vor. Wer gut arbeitet, soll auch in seiner Freizeit gut leben. Umweltschutz erschöpfte sich darin, keine Platiktüten in die Gegend zu werfen.

In diesem Umfeld galt es als wichtig, sich unauffällig zu verhalten und nicht aus der Reihe zu tanzen. Kritische Fragen und Widerworte galten als ‚ungezogen‘. So etwas wurde gerne verbal rüde sanktioniert oder es gab ein paar ‚hinter die Löffel‘.

(ein Zweckbau hat seine Aufgabe in Brüssel erfüllt und wird abgerissen – die Zerstörung wirkt spontan wie in einem Kriegsgebiet)

Jetzt mache ich einen Sprung in eine Grauzone meines kindlichen Aufwachsens: Als Kinder sollten wir spielen und uns aus den Angelegenheiten der Erwachsenen heraushalten – es sei denn, wir sollten für Hilfsdienste abkommandiert werden – also wenn wir eigentlich eher nicht wollten.

Gegen diese abwertende Grundeinstellung, wie ich es empfand, regte sich bei mir Widerstand gegenüber der Erwachsenenwelt. Deren Arbeitslebensrhythmus und deren Kommandoton mochte ich nicht. Am liebsten wäre ich direkt von der Kindheit in das Rentnerleben gewechselt. Ohne ausreichende Anerkennung sah ich mich leicht als nur ausgenutzt und entwickelte meist nur wenig Einsatzbereitschaft für andere.

Hier zeigte sich eine Haltung, die in Wirtschaft und Politik allenfalls nach Posten strebt – mit minimal möglichem Eigeneinsatz. Das lässt sich keiner Partei im Speziellen zuordnen – es ist eher eine menschliche Grundhaltung, die mich als wenig ermutigten oder angeregten Menschen auswies.

(die Rheinbrücke der Deutschen Bahn in Köln – für mich hier die Frage danach, wofür mein Herz denn wirklich schlug)

Mit dem Umzug nach Kaarst im Herbst 1964 begann meine große Zeit der Freiheit: Ich vergrößerte meinen Bewegungsradius durchs Radfahren enorm. Gebunden war ich im Persönlichen allerdings aufgrund eines Entwicklungsstaus an jüngere Spielkameraden. Die Interessen der Gleichaltrigen mit Musik, Mädchen oder geradlinigem schulischen Streben teilte ich nicht wirklich. Insofern konnte ich da auch keine funktionierenden Freundschaften eingehen.  Auch hier noch einmal eine Mangelsituation, aus der ich aber lange keinen Ausweg fand.

Doch die Jugend führte mich emotional eindeutig weg von der CDU-dominierten bisherigen gesellschaftlichen Umgebung. Ich wollte mich freier sehen in Fragen der Sexualität, im Arbeitsleben ohne strenge Hierarchien, ohne militärisches Säbelrasseln des kalten Krieges zwischen Ost- und Westblock, ohne ein Leben nach dem Knigge – wilder und unregulierter als in meinem bisherigen Umfeld. Konsum und Genuss sollten aber uneingeschränkt bleiben.

Das hier gezeigte hedonistische Streben ließ sich damals am ehesten ansatzweise in der SPD oder noch eher in der KPD abbilden, die heute keine Rolle mehr spielt – noch besser bei den damals noch gar nicht vorhandenen Grünen. Diese politischen Strömungen waren damals en vogue bei mir, die meiner Individualität mehr Anerkennung zukommen ließen bzw. dies behaupteten. Selbstverwirklichung war das beliebte Schlagwort, das bei meinen Eltern auf schroffe Ablehnung stieß. Sie sahen darin überzogenen Egoismus.

(auf der Silberhochzeit meiner Eltern – mit erstem Übergewicht – mit reichlich Alkohol- und Nikotingenuss – spaßend und süffisant über Dinge bzw. andere herziehend)