Utopia-Blog: 3. Fahrrad statt Auto – Geschichte einer längeren Selbsterfahrung – wird von Zeit zu Zeit aktualisiert
Weg vom Auto als Standard-Fortbewegungsmittel
Zum 56. Geburtstag in 2007 Start eines Fahrrad-Langzeitabenteuers – mit 62 Jahren nach bald 70.000 Kilometern chronisch infiziert
Das Rad ist überall dabei – Das ist echt praktisch, macht fit und man sieht viel mehr
9. 11. 2012
Dieser Artikel gibt meine Erfahrungen beim Umstieg vom Auto als Alltags-Fortbewegungsmittel wieder. Er soll andere ermutigen, diesen Schritt ebenso zu wagen; ich habe ihn nie bereut und meine körperliche Kondition ist spürbar gebessert. Das Fahrrad schafft Kontakt zur eigenen Umgebung und erschließt Wege, die jedem Autofahrer verschlossen bleiben.
Dein unmittelbares Umland ist viel schöner, als du als Autofahrer denkst!
Zurück in die Anfangszeit – genauer 7 Monate nach dem Umstieg aufs Rad vom 19. 5. 2007
20. 12. 2007
In diesem Jahr plagte mich fortwährend deutliches Übergewicht und damit einher gehende, typische gesundheitliche Beschwerden. Doch selbst regelmäßige Bewegung, die mir als eher sportlichem Typen nie fehlte, wollte nichts helfen.
Am Beginn einer größeren Veränderung steht meist etwas ganz anderes…
Im Mai hatte ich mir zum 56. Geburtstag ein gutes Citybike angeschafft und beschlossen, damit versuchsweise alle möglichen Wege zurückzulegen – das heißt alles außer ganz weite Strecken, Transport sperriger Gegenstände und Personentransport.
Das Projekt begann gleich intensiv: Ich legte nicht nur alle Alltagsfahrten mit dem Rad zurück, sondern unternahm auch mehrere Trainingsfahrten wöchentlich durch die nähere Umgebung. Zwar störte mich anfangs die mangelnde eigene Kondition wie auch unpassende Kleidung, die nicht allen Witterungsbedingungen gerecht wurde, auch gab es Probleme beim Transport größerer Einkäufe. Doch die Kondition besserte sich zusehends. Investitionen in passende Kleidung lohnten sich ebenso wie die Anschaffung eines hochwertigen Fahrrad-Anhängers.
Damit machten selbst Einkaufsfahrten von Mönchengladbach in das nahe gelegene Holland Spaß; sie wurden nicht zum Sicherheitsrisiko, wie man das ja auch als Autofahrer nicht unnötig eingehen möchte..
Im Norwegenurlaub Sommer 2007 war das Rad erstmals auch einziges Fortbewegungsmittel für Ausflüge. Ich konnte mich auf etlichen Gebirgstouren bewähren und fand echt Gefallen daran..
Heute – nach 7 Monaten dieses Fortbewegungsexperiments – bin ich 12 Kilogramm leichter, mache mit Vergnügen einen Bogen um das Auto, habe fast 7.000 Fahrradkilometer hinter mir und gerade den Weihnachtsbaum mit dem Anhänger per Rad nach Hause gefahren. Die Sorge, dass mir die Unannehmlichkeiten des rheinischen Schmuddel-Winterwetters die Lust auf Fortbewegung im Freien verderben könnten, haben sich bis jetzt nicht bestätigt. Es geht also weiter!
6. 1. 2009
Ist mal Zeit für einen kleinen Nachschlag: Knapp 14.000 Kilometer hielt die Verbindung zum Citybike – bis zum 24. 7. 2008 genau. Dann war klar: Es bleibt beim Radfahren, doch vor allem die Alltagsbedingungen im Straßenverkehr in und um Mönchengladbach sind insgesamt miserabel und vor allem alles andere als komfortabel und sicher. Man plagt sich ständig mit viel zu hohen Kreuzungsübergängen an den Radwegen herum; auch nerven immer wieder bis über 10 Zentimeter hohe Baumwurzeldurchbrüche auf den Radwegen, ebenso immer wieder tiefere Fahrbahnschäden.
Dafür ist ein Citybike mit seinen relativ schmalen 28-Zoll-Reifen und auch eine schwache Federung nicht auf Dauer geeignet.
So kam es zur Anschaffung eines langstreckentauglichen Mountainbikes mit Vollfederung – allerdings nicht mit Stollen, sondern mit glatten Reifen wegen der überwiegenden Nutzung von geteerten Fahrwegen. Das verbessert den Rollwiderstand erheblich und verbessert den Fahrkomfort deutlich.
Bis heute hat das ‚Neue’ auch schon wieder mehr als 5.000 Kilometer hinter sich – sowohl am Niederrhein als auch in der niederländischen Provinz Limburg, aber auch an der deutschen Nordseeküste bei Norddeich und in Norwegen. Ich liebe den neu gewonnenen Komfort und die zusätzliche Sicherheit – nicht zuletzt auch die wesentlich bessere Bergfähigkeit!
Am 4. 1. 2009, bei einer Schneetour nach Geilenkirchen, wurden es 19.000 Streckenkilometer seit dem 19. 5. 2007. Das Fahren bei Schnee – seit dem 5. 1. liegen gerade um 10-15 cm Neuschnee hier – mache ich auch Erfahrungen mit Einkäufen im Hänger bei Eis, Schnee und Schneematsch. Es ist abenteuerlich, aber es funktioniert. Die Beobachter sind ängstlicher als ich… Man benötigt natürlich Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten, Vertrauen in die Mitmenschen im Straßenverkehr und viel Wachsamkeit!
24. 9. 2009
Ich habe mir angewöhnt, neben den täglichen Einkaufs- und Botenfahrten auch regelmäßig Strecken zwischen 30 und 60 Kilometern zum Training zurückzulegen, bei jedem Wetter. Diese Übung hat sich konditionell sehr positiv ausgewirkt – auch wenn das meine Unfallschäden von einem Verkehrsunfall als PKW-Fahrer vor 23 Jahren nicht ungeschehen machen kann. Doch es hilft enorm gegen weiter fortschreitende Invaliditätsfolgen und auch gegen eine lebenslange Schmerzsymptomatik, die mit meinen bleibenden Unfallschäden einher geht.
Bis heute bin ich 26.000 Kilometer mit dem Rad gefahren – das meiste in der Umgebung meiner Heimatstadt Mönchengladbach. Mein Aktionsradius reicht im Äußersten bis Duisburg, Düsseldorf, Köln und bis ins niederländische Grenzgebiet mit Venlo und Roermond. Urlaubsfahrten mache ich sowohl gerne an der norddeutschen Meeresküste wie auch im norwegischen Hochgebirge; das Rad kommt eigentlich immer mit, damit ich mich ausreichend bewegen kann.
Inzwischen fahre ich ein stabiles Mountainbike der Globetrotter-Klasse, so dass ich auch Last bis zu 50 Kilogramm auf Gepäckträger und in einem Einradanhänger aufnehmen kann. Das reicht für den Großeinkauf und sorgt für Stabilität, Sicherheit und auch Komfort. Das Ganze soll ja auch Freude machen.
Meine Alltagserfahrung lehrt: Es macht Freude, weil es gut tut! Staus sind für mich ein Fremdwort; die leidige Parkplatzsuche und das Zahlen von Park(haus)gebühren oder von Knöllchen entfällt. Auch der Zeitvorteil des Autos ist im Stadtbereich nicht wirklich gegeben. Oft bin ich dort als Radfahrer sogar schneller.
5. 1. 2012
Inzwischen bin ich 60 Jahre alt und as Fahrrad-Experiment ist zur festen Einrichtung in meinem Lebensalltag geworden. Im März 2011 habe ich kilometermäßig die erste Erdumrundung (40.000km Radfahrstrecke seit dem 19. 5. 2007) geschafft; noch in diesem Monat werden es 50.000 Fahrradkilometer werden.
Im vergangenen Jahr habe ich mir zwei weitere Räder geleistet: ein Mountainbike von Flyer mit Pedelec-Antrieb sowie ein Faltrad Birdy mit Rohloff-Schaltung.
Ersteres hebt den eigenen Tempodurchschnitt auf bis zu 24 – 25 km/h – wobei die beiden Akkus mit 12 bzw. 10 Ah mich durchschnittlich 60 bzw. 50 km unterstützen. Das reicht für Duisburg oder Köln hin und zurück, wobei für beide Wege dann je 2 Stunden hin und zurück kalkuliert werden müssen. Aus MG-Rheydt bis zum Kölner Dom in 120 Minuten sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu schaffen. Eine Top-Federung und hydraulische Scheibenbremsen sorgen für gute Sicherheit. Ich fahre stets mit Licht; über einen Nabendynamo erzeuge ich den Strom dafür auch, wenn die Akkus leer sind. Ein Nachteil ist das insgesamt hohe Fahrzeuggewicht mit ca. 27,5 kg leer mit Akku; mit Taschen und Reserveakku werden das leicht 33 – 35 kg. Dennoch fährt der Flyer auch ohne E-Antrieb angenehm.
Das Mehrgewicht kostet mich ca. einen Stundenkilometer im Tempodurchschnitt (ca. 20 km/h auf Dauer) gegenüber dem Riese & Müller Intercontinental, Auch das ölgeschmierte Getriebe der Rohloff-Schaltung wirkt sich dabei als leichte Bremse gegenüber einer Kettenschaltung aus.
Ich hatte lange Angst davor, ich würde mir die sportliche Moral kaputt machen und würde nur noch elektrisch angetrieben fahren wollen; doch diese Sorge hat sich als unbegründet erwiesen.
(An dieser Stelle ein Tipp für Elektrorad-Nutzer, die sich viel in diebstahlgefährtetem Terrain aufhalten bzw. dort ihr Gefährt abstellen müssen: Wer sich ein bis 45 km/h zugelassenes Rad kauft, bekommt auf Wunsch für wenige Euro im Jahr eine Diebstahlversicherung dazu, für die man sonst gut 200 Euro jährlich zahlen müsste.)
Jedes der drei Räder, die ich inzwischen nutze, hat in 2011 etwa 3.500 Kilometer mit mir zurückgelegt. Ich fahre sie alle gerne:
– das Intercontinental, wenn ich aus eigener Kraft maximal schnell sein will
– das Birdy als schnörkelloses Alltagsgefährt und
– den Flyer, wenn ich mir Flügel wachsen lassen will.
Der zweite Fahrrad-Neuling hat andere Stärken: Die kurze Bauweise macht das Birdy ausreichend leicht und handlich: Leer wiegt es 12,5 kg und es lässt sich im Auto ebenso gut transportieren wie in öffentlichen Verkehrsmitteln, wobei das ansonsten obligatorische Fahrrad-Zusatzticket für ein Faltrad entfällt. Auch kann es bequem in jedem PKW-Kofferraum mitgenommen werden. Die beiden großen Räder sind dagegen nur mit Fahrradgepäckträger zu transportieren.
Obwohl mich manchmal zweifelnde Blicke verfolgen, wenn ich mit dem Winzling mit 18-Zoll-Rädern vorbeiradle, taugt das Birdy sowohl für wirklich lange Strecken und sogar fürs Hochgebirge, dank der 14 Gänge. Auch Abfahrten auf guten Pisten können schnell gefahren werden. Für einen ausreichenden Fahrkomfort sorgt eine Vollfederung durch Polymere. Auf Sand hat das Birdy mehr Probleme als ein Rad mit breiten Stollenreifen. Für die üblichen Feldwege ist es aber durchaus geeignet und somit fast überall einsetzbar. Die Sicherheit habe ich auch hier durch helles LED-Licht im Dauerbetrieb per Nabendynamo erhöht.
Zwei Nachteile sollen hier nicht verschwiegen werden: Die kleinen, schmalen Räder (1,4 Zoll Breite wie bei einem Citybike) zwingen zu besonders aufmerksamem Fahren, damit Hindernisse und Löchern nicht zu bösen Stolperfallen werden können. Doch auf bisher 3.500 Kilometern mit dem Birdy seit September 2011 gab es noch keinen Sturz. Leider rollt trotz hohem Luftdruck von 6,5 bar das Rad nicht ganz so gut wie seine großen Gegenstücke. Da auch hier die Ölschmierung der Rohloff-Schaltung mitbremst, erreiche ich mit ihm ’nur‘ 18-19km/h auf Dauer..
Das Birdy ist das ideale Urlaubsfahrrad: Man kann es überallhin leicht mitnehmen, es benötigt nur wenig Stauraum. Kaum ist es ausgepackt, steht es für ausführliche Erkundungen überall zur Verfügung.
9. 11. 2012
Wieder ist fast ein Jahr vergangen.
Inzwischen ist das Birdy ganz klar zu meinem Lieblingsfahrrad geworden. Nicht nur seine Wendigkeit und Leichtigkeit zeichnet es aus, sondern inzwischenmit Big-Apple-Reifen ( 2 Zoll breit) bestückt schluckt es auch die üblichen Kreuzungsübergänge und Fahrbahnschäden erstaunlich gut weg – trotz seiner wirklich kleinen 18-Zoll-Räder. Doch die wurden im Durchmesser durch die größere Reifenbreite und damit auch Dicke glatt um 3 Zentimeter größer. Es ist zwar dadurch nicht zum Mountainbike geworden, aber sein Fahrverhalten wurde erstaunlich viel ruhiger, stabiler und unempfindlicher. Birdy-Nutzer: Hier liegt eine große Chance, euer Gefährt erheblich im Alltag aufzuwerten! Das hatte ich nicht unbedingt erwartet. Doch mit einem Reifendruck von 5 bar packen die Räder knackig zu.
Möglicherweise vollende ich bis zum Jahresende noch stolz die 60.000-Kilometer-Marke seit dem 19. 5. 2007, als dieses Fahrradabenteuer begann.
In diesem Herbst hatte das Birdy seinen zweiten Hochgebirgseinsatz in Norwegen. Auch Abfahrten mit oberhalb 60 km/h sind bei guter Fahrbahn kein Problem. Seit dem Wechsel des Ritzels am Hinterrad von 13 auf 17 Zähne ist die Berggängigkeit des Birdy beiden anderen Rädern leicht überlegen; die Abwicklung reicht im kleinsten Gang bis auf unter 1,40 Metern pro Kurbelumdrehung. Als 61-Jährigem bereiten mir damit lange Steigungen von 10% keine Probleme mehr.
Auch im Stadtverkehr hat sich das Birdy als Alltagsfahrzeug eindeutig durchgesetzt. Nur wenn ich sehr viel Gewicht bzw auch den Anhänger benötige, steige ich auf den Flyer oder das Intercontinental um.
Ein Faltrad als Bergrad und für den Wocheneinkauf? Nicht nur kein Problem, sondern ein stabiles Vergnügen!
Man muss nur damit leben können, dass die kleinen Reifen schneller verschleißen (mit den alten Maxxis-Originalreifen) hinten nach ca. 3.000 km, vorne mehr als das Doppelte). Die Bremsen sind gut, der Rahmen stabil und nicht nur für kleine, sondern auch für größere Fahrer (ich bin 1,86 m groß) geeignet. Das erlaubte Maximalgewicht von 120 kg wird immer mal wieder erreicht.
Naja, man muss nur bereit sein für die teure Erstanschaffung. Die Betriebskosten für 10.000 km veranschlage ich bei eigener Pflege und Werkstattwartung mit etwa 200 € für den Antrieb (Kette und Kettenblätter vorne/hinten) und etwa 200 € für Reifen/Bremsbeläge. Das sind 4 Cent pro Kilometer und damit verschwindend wenig gegenüber 25 – 30 Cent für einen Kleinwagen mit allen Kosten bei gleicher Laufleistung.
100Kilometer Tagesleistung und mehr als 1000 Höhenmeter dabei fallen mit dem Birdy nicht schwerer als mit dem Intercontinental. Mit dem Flyer als E-Bike wird es nicht leichter, aber deutlich schneller, denn zu meinen 175 Watt Leistung auf Dauer kommt der Elektromotor noch hinzu.
23. 9. 2013
Inzwischen habe ich 68.000 Fahrradkilometer seit dem 19. 5. 2007 hinter mir und ich bin praktisch nur noch mit dem Birdy unterwegs. Dieses Jahr hat es mich zweimal durch Norwegen und seine Gebirge begleitet. Im Alltag macht es ebenso eine gute Figur. Insgesamt begleitete es mich bereits schon 15.000 Kilometer weit.
Meine größte fahrradtechnische Neuerung ist jedoch nicht technischer Natur, sondern hat mit einer Ernährungsumstellung zu tun: Seit 2 1/2 Monaten ernähre ich mich vegan, vorwiegend roh.
Das verhalf mir ungeplant zu einer enormen Leistungssteigerung, ohne dass ich ansonsten irgendetwas an meinem Alltag veränderte:
Meine Langstreckenfahrten mit den kleinen Rädern (rollen etwas schlechter als großzollige Räder) und der Rohloffschaltung, die ebenfalls einen schlechteren Wirkungsgrad hat als eine Kettenschaltung, hatten früher einen Durchschnittswert von ca. 18-19 km/h auf die Gesamtstrecke. Dieser Wert hat sich im Laufe von wenigen Wochen auf 21-22 km/h erhöht. Diese Steigerung um ca. 3 Stundenkilometer bedeutet jedoch mehr als auf den ersten Blick sichtbar:
Mir standen vorher etwa 175 Watt Körperleistung auf Dauer zur Verfügung. Heute sind das etwa 225-250 Watt und damit die Maximalleistung eines Pedelec-Motors. Genau so fühle ich mich auch: Ich habe scheinbar einen Zusatzmotor eingebaut bekommen, der zudem auch noch keinen schweren Akku benötigt, der selbst kein Gewicht hat und dennoch stets zur Verfügung steht.
Mehr dazu erfährst du in meinem Blog-Beitrag mit der Nummer 5 – wenn dich meine persönlichen Motivationen dazu auch interessieren, dann zusätzlich Beitrag Nr. 6.
Zwischenfazit aus Alltagserfahrungennach knapp 5 ½ Jahren Umstieg auf das Fahrrad als Alltagsfahrzeug:
Kostenmäßig bewegt sich diese Mobilitätsform durchaus nicht im Billigbereich. Man sollte nicht erwarten, dass man sich beim Discounter für 200 € ein Rad kauft und dann für 10 Jahre ausgesorgt hat.
Bei einer so hohen Laufleistung wie meiner tritt durchaus ein nennenswerter Verschleiß auf, der im Bereich von 200 – 300 € für Material liegt, das nicht im Billigsegment zu finden ist und das aus gutem Grund: Fahrbahnen für Radfahrer sind leider alles andere als rein und vor allem voller kaum sichtbarer, spitzer Steinchen und Splitter wie auch metallischer spitzer Gegenstände, die rasch für einen Platten (meist am stärker belasteten Hinterrad, wo die Reparatur weitaus mühsamer ist) sorgen. Ein guter Pannenschutz ist also Pflicht. Trotz ‚Unplattbar’-Reifen bzw. guter Kevlar-Einlage in leichteren Reifen kam ich dennoch auf 10 Reifenpannen innerhalb von knapp 60.000 Fahrkilometern. Das ist statistisch aber weniger als jedes halbe Jahr ein Durchstich bei meiner Fahrleistung von 11.000 km pro Jahr und darum gut vertretbar. Ein Reserveschlauch samt Luftpumpe geht auf jede Tour mit; auf diese Weise muss ich unterwegs nie flicken, sondern brauche nur auszutauschen. Das spart Nerven bei kaltem und nassem Wetter, wenn Steinsplitt meist den Platten verursacht.
Reparaturen, für die Spezialwerkzeug erforderlich ist, lasse ich in der Fachwerkstatt ausführen. Das kostet zwar jährlich noch einmal gut 200 – 300 €, aber dennoch bleiben die Gesamtkosten für den reinen Betrieb damit unterhalb von 5 Cent pro Kilometer.
Mit guter Kleidung bereitet keine Wetterlage wirklich Kopfzerbrechen oder üble Pein; Frost und Schnee sind bis zu einer Schneehöhe von oberhalb 15-20 cm kein unlösbares Problem. Auf Spikesreifen konnte ich im rheinischen Flachland gut verzichten – auch wenn es zwei Winter mit wochenlangem Schnee gab. Wasserdicht muss für mich nur die Jacke sein; im Winter auch gerne die Handschuhe. Wirklich hochwertiges kostet allerdings ab 200 bzw. 50 €; die Haltbarkeit lag dafür aber auch bei gut 4 Jahren für Jacke und Handschuhe. Ab 15 Grad fahre ich lieber mit kurzer Hose; ansonsten trage ich bis zur Frostgrenze dünne, nicht eng anliegende Outdoor-Hosen aus Kunststoff, die nach Regen am Körper innerhalb von 20 bis 30 Minuten wieder ganz trocken werden. Auf spezielle Fahrradschuhe kann ich sehr gut verzichten; fast ganzjährig bin ich in Sandalen unterwegs, die ich lieber trage als geschlossene Schuhe. Regnet es bei Kälte, dann trage ich leichte, wasserdichte Wanderschuhe.
Auch was ich mit mir transportiere, soll trocken und sauber bleiben. Dafür nutze ich seit langen Jahren Ortlieb-Taschen, die absolut wasserdicht sind und bleiben. Ich habe ein Paar kleinere (fürs Birdy) und zwei größere für die Mountainbikes. Auf längeren Touren geht stets eine Ersatzhose und eine Ersatzjacke mit, falls mit starkem Regen und Kälte zu rechnen ist. Dann kann ich mich mit leichter Kleidung durchnässen lassen (ist mir meist lieber als Schwitzen unter wasserdichter Kleidung bei körperlicher Belastung) und bei Bedarf (Vermeidung von Unterkühlung) unterwegs die Klamotten wechseln. Bei Hochgebirgsfahrten in einsamerem Gelände geht auch immer ein Faltreifen für den Notfall mit – habe ich allerdings noch nicht wirklich benötigt.
Für Kleidung zum Biken kalkuliere ich jährlich ca. 100 €; das Material ist allerdings gleichzeitig absolut alltagstauglich und darum auch ohne Rad in Nutzung. Darum rechne ich diese Ausgaben auch nicht als radspezifisch. Wer raus geht, benötigt schließlich auch Wetterschutz. Lediglich die Windjacke bzw. der Windüberzug ist fahrradspezifisch und gleichzeitig fast immer dabei – rot bzw. orange wegen der besseren Sichtbarkeit. Sie wiegen als Ausrüstung für Langstreckenläufer kaum 100 Gramm und sind preiswert sowie lange haltbar. Ich bevorzuge übrigens nicht die körperbetonten Schnitte; den halben Stundenkilometer, den mich die schlechtere Aerodynamik kosten mag, macht der höhere Tragekomfort beiweitem wett.
Was die Beleuchtung und die eigene Sichtbarkeit für Autos und Fußgänger angeht, habe ich rasch gemerkt, dass farblich leuchtende Kleidung grundsätzlich vorteilhaft ist. Doch erst wirklich helles Licht sorgt im Alltag (ich fahre grundsätzlich stets mit selbst erzeugtem Licht, auch am Tage) für eine maximale vorbeugende Sicherheit unterwegs. 60 bzw. 75 Lux, erzeugt mit dem eigenen Nabendynamo, sorgen für einen stets unübersehbaren Leuchtstern unterwegs. Zumindest 40 Lux sollten es vorne sein; damit bekommt man auch in der Nacht ordentliche Sicht auf die Fahrbahn, wo die Straßenbeleuchtung nicht ausreicht. Einen ordentlichen Nabendynamo haben heute fast alle fabrikneuen Räder; wenn am Frontlicht gespart wurde, dann lohnt sich die relativ kleine Ausgabe von ca. 30 € für das hellere LED-Licht absolut!
Auch die Bedeutung von aktiven Warnsignalen ist nicht zu unterschätzen, wenn man zügig unterwegs ist. Ich habe an jedem Rad jeweils zwei Klingeln (vor dem Kauf im Laden auf Lautstärke geprüft), die ich in kritischen Situationen nacheinander betätige. So kann ein vor mir Gehender/Fahrender meine Richtung und mein Tempo besser einschätzen. Bei defensiver Fahrweise reicht das in der Regel aus.
Zwei meiner Räder haben zusätzlich ein Drucklufthorn, das mir im Großstadtdschungel schon einige Male half, Motorfahrzeugführer akustisch auf mich aufmerksam zu machen, wo eine Klingel nichts hätte bewirken können. Diese ‚Lebensversicherung’ benötigte ich nur sehr selten, dann aber war sie wirklich Rettung in größter Not. Nur mein Klapprad, das Birdy, verfügt darüber aus technischen Gründen (kein Platz für die Montage) nicht. Eine zweite Klingel kostet nur um ca. 5 €; das Drucklufthorn(Air-Zone) 25 €.
Das Thema Unfallschutz soll hier am Schluss dieser Zwischenbetrachtung nicht verschwiegen oder verdrängt werden:
Es ist das statistische Risiko eines schweren Verkehrsunfalls, der Zweiradfahrern ca. alle 30.000 Kilometer geschehen soll. Man muss sich stets bewusst sein, dass man ohne ‚Panzerung‘ unterwegs ist – im Gegensatz zu allen Autofahrern.
Nur eine an diesen Umstand angepasste Fahrweise mag hier das Risiko deutlich mindern.
Mir persönlich hilft (aus weit zurückliegenden Tagen als Torwart) außerdem die fehlende Angst vor Stürzen sehr: Das mag zwar spontan ziemlich leichtsinnig klingen, bedeutet aber in der Praxis das Gegenteil davon. Weil ich den Sturz nicht fürchte, falle ich im Ernstfall locker und entspannt, d. h. ich verkrampfe nicht. Auf geteerter Fahrbahn gibt es dann maximal ein paar Kratzer und vielleicht ein Loch in der Kleidung, mehr aber nicht. Auf Schnee hat es gar keine sichtbaren Folgen.
In den Vergangenen Jahren hat es mich auf diese Weise insgesamt viermal ‚erwischt‘: in einer kurvigen Radwegführung einer Bundesstraßenkreuzung auf nicht erkennbar rutschigem Grund – nachts auf einem geteerten Feldweg, wo ich durch noch zu schwache Beleuchtung einen schmierigen Matschbelag zu spät erkannte – im tieferen Schnee auf einem unebenen, geteerten Wirtschaftsweg und schließlich wieder im Bereich einer kurvigen Kreuzungs-Radwegführung, als durch eine seltene Vorderradpunktierung das Vorderrad auf der Felge ins Rutschen kam. Doch alle Stürze verliefen ohne bösere Verletzungen bzw. Schäden an Rad bzw. Kleidung.
Fazit meiner bisherigen Unfälle mit dem Rad:
alles selbst zu verantworten, da ich jeweils selbst der Verursacher gewesen war! Als schwachen Trost mag ich berücksichtigen können, dass ich jeweils Opfer widriger Umstände wurde – durch eigene jeweilige Fehleinschätzung von Griffigkeit des Fahrbahngrundes (dreimal) bzw. des technischen Zustandes meines Rades. Doch welch ein Glück, dass ich nie in eine Situation geriet, in der ich durch Verschuldeneines anderen jegliche Kontrolle über den Sturzverlauf genommen bekam! Genau das sind nämlich die gefährlichsten Unfallsituationen.
Und ein Helm, der ist immer mit dabei. Allerdings benötige ich den erst dann als echten Unfallschutz, wenn es zu einer Kollision kommt. Solange ich den Sturz selbst beeinflussen kann, ist ein Schlag auf den Kopf eher unwahrscheinlich.
Ich trage den Helm dennoch regelmäßig, denn ich will nicht behaupten, ich würde die Kontrolle in jeder Verkehrssituation behalten können – trotz aller Erfahrung.
Für den Helm empfehle ich, einen mit besonders großen Lüftungsöffnungen zu tragen und ohne Insektenschutz: Lieber lasse ich mal stechen (ist mir bisher einmal passiert), als dass ich wegen Überhitzung des Kopfes den Helm abziehen muss. Bei langen Hochgebirgsaufstiegen im Sommer ist das allerdings eher die Regel als die Ausnahme – ansonsten aber ist ein Abziehen des Helms ganzjährig nicht nötig.
Nicht zu unterschätzen ist auch die Bedeutung einer Radfahrbrille. Dabei geht es weniger um UV-Schutz, sondern mehr darum, bei warmer Witterung das Eindringen von Insekten in die Augen zu verhindern – bei kalter Witterung den Kältereiz von der Augenschleimhaut fernzuhalten. Auch das ist alltägliche Förderung von Sicherheit, denn wem die Augen tränen bzw. schmerzen, sieht nicht richtig und ist daher zusätzlich gefährdet. Wer im Alltag ohnehin eine Brille tragen muss, der hat an dieser Stelle einen automatischen Sicherheitsvorteil. Ich habe mir diesen erst aus negativer erfahrung erarbeitet.
Fahrradhandschuhe, sei es mit Fingern oder ohne, mag ich nicht mehr besonders: Am Anfang habe ich mich damit zwar sicherer gefühlt, aber die Wärmeableitung, die bei rascherer Fortbewegung möglichst gut sein muss, lässt mit jedem zusätzlichen Kleidungsstück nach. Da gilt dann etwas anderes als beim Helm:
Weil an den Händen nicht wie beim Kopf bleibende Schäden, sondern in erster Linie vor allem ’nur‘ Schürfwunden zu vermeiden sind, ist mir der fehlende Schutz vor eventuellen Blessuren eindeutig nicht so nachteilig wie sicheres, ständiges Schwitzen an den Händen, wenn ich unterwegs bin. Dies ist aber nur eine ganz persönliche Erfahrung; ich leite zuviel entstehende Körperwärme beim Radfahren am besten dann ab, wenn mein Körper dies sowohl über Kopf, Hände und Füße (mit Sandalen) gleichzeitig leisten kann.
Körperliches Wohlgefühl ist äußerst wichtig auf längeren Radtouren. Wenn du dich dabei nicht wohl fühlst, macht es nicht nur keine richtige Freude, sondern auch deine Konzentration ist unterwegs herabgesetzt, weil sich dein Körper ständig mit etwas Störendem herum plagt, das er gerne loswerden würde! Das bedeutet eine ständige unterschwellige Unfallgefahr durch Ablenkung.
Für die eigene Sicherheit ist es absolut lohnend, diesem Aspekt regelmäßige Aufmerksamkeit zu schenken. Das hat nichts mit einem modischen orientierten Wellness-Denken zu tun.