1.2a. Auf der Kippe vor der Entscheidung: Fahrrad statt Auto als Vielfahrer – kann das überhaupt funktionieren?

2a. Auf der Kippe vor der Entscheidung: Fahrrad statt Auto als Vielfahrer - kann das überhaupt funktionieren?

Nach Abkühlung der ‚Liebe‘ zum Auto steht die Frage: Kann das Rad im Individualverkehr eine echte Alternative zum eigenen PKW sein, wenn man mehr als 10.000 Jahreskilometer zurücklegt?

– Bus und Bahn im Alltag zu langsam, abends bzw. am Wochenende oft nicht verfügbar,
– Zweiräder mit Verbrennungsmotor nicht umweltfreundlich
– Elektroautos nicht ausgereift und für Normalverdiener unbezahlbar

Welche Fahrleistungen sind mit dem Rad per Muskelkraft realistisch?
Wie kommt man als Vielfahrer durch Schlechtwetter und die kalte Jahreszeit?
Was taugen die bestehenden Verkehrswege für Radfahrer? Gibt es echte Alternativen zu den bekannten Hauptstrecken?
Wie hoch ist das Verletzungsrisiko als Radfahrer und wie lässt es sich minimieren?
Kann mir ein Fahrrad in etwa so zuverlässig zur Verfügung stehen wie ein Auto?

Die Messlatte meiner Erwartungen an eine Alternative zum Auto liegt hoch. Kann das Fahrrad gegen das Auto bestehen? Dies ist der zweite von 4 Artikeln mit Praxisantworten.

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Mit diesem Artikel beginnt die ‚endgültige‘, entschlossene Phase meiner vierteiligen Umstiegs-Geschichte vom Auto auf das Fahrrad. Er setzt sich aus den drei Teilen 2a, 2b und 2c zusammen.
In 2a beschreibe ich die meist frustrierende Phase des Fragens und Zweifelns, nachdem sich eine frühe Version des Elektrofahrrades und ein Hybrid von Elektroauto mit zusätzlichem Fahrradantrieb als nicht zufrieden stellend, unzuverlässig bzw. absolut überteuert herausgestellt hatten (siehe Blog „1. Von der Auto-Abhängigkeit zum Nicht-Auto-Fuchs). Er geht aber nahtlos über in meine erste Umstiegspraxis, weil sich viel Wesentliches erst dann zeigt, wenn man es selbst erprobt? Passt das wirklich zu mir und funktioniert es wirklich? Theoretisch war das nicht wirklich lösbar und einzuschätzen.
(Wegen des Umfangs muss dieser Praxisbericht in zwei weiteren Folgen zuende gebracht werden. Die Utopia-Plattform lässt Artikel nicht in der erforderlichen Länge zu. (Oder kann ich mich nur nicht kurz genug fassen???…)[/u][u]

Wer 35 Jahre lang ein eigenes Auto jahrein und jahraus gefahren ist und dessen Vorzüge sehr wohl zu genießen verstand, der wird sich nicht mit einer halben Sache als Alternative abspeisen lassen. Entsprechend hoch waren und sind die Erwartungen an das Fahrrad, wenn es mir denn als umweltfrezundliche Alternative und als echter Alltagsbegleiter durch Dick und Dünn begleiten soll – mir die üblichen Wegstrecken eines Menschen ermöglichend, der viel unterwegs ist und nicht nur in der unmittelbaren Wohnumgebung.


Jeder kennt die üblichen Einwände, die sich aus dem eigenen Inneren und von den Mitmenschen her gegen das Fahrrad regen:
1. Radfahren ist anstrengend.
2. Mit dem Rad ist man viel zu langsam unterwegs.
3. Radfahren ist viel gefährlicher als Autofahren.
4. Bei nasser Witterung ist Radfahren eine Zumutung und praktisch unmöglich.
5. Bei den vielen Scherben und Splittern auf den Fahrbahnen hat man andauernd Pannen.
6. Beim Radfahren wird man dreckig.
7. Man kommt verschwitzt am Ziel an und muss sich erst umziehen bzw. waschen/duschen.
8. Ein Fahrrad ist viel zu leicht zu stehlen.
(Wenn dir selbst noch mehr dieser Totschlag-Argumente gegen das Radfahren einfallen, hänge ich die gerne noch hier dran.)

Alles das zog mir über vier lange Jahre immer wieder bremsend bzw. demotivierend durch meine Gedankenwelt, die einerseits vom Auto fort kommen wollte, bereits mit viel eigenem und finanziellem Aufwand technische Alternativen ausprobiert hatte und darin andererseits keine wirklich brauchbare Alltagslösung gefunden hatte.
Mein letzter Versuch, das 85 Stundenkilometer schnelle TWIKE – ein Hybrid zwischen Fahrrad und Elektroauto – hatte mir die Richtung hin auf das Fahrrad gewiesen:

Es war viel zu schwer, um alleine durch Muskelkraft angetrieben zu werden, falls die Akkus leer waren. Alleine 87 Kilogramm Batteriegewicht, um eine Strecke von 60-70 Kilometern in der Ebene ohne Nachladen bewältigen zu können! Mit mir zusammen waren 240 kg zu transportieren.
Wäre die Technik wirklich zuverlässig und haltbar gewesen, dann wäre ich vielleicht noch heute bei diesem Konzept der Mobilität. Doch sie war es leider nicht; die Akkukosten (Neusatz 9.000,- €) erwiesen sich als der eigentliche Schwachpunkt, wie es auch heute noch bei den Elektroautos immer noch der Fall ist.
(Betriebskosten des TWIKE: über 15.000 km in knapp 2 1/2 Jahren mit 11.000 € Wertverlust, 1.400 € Werkstattkosten einschl. Teile – dafür ‚Treibstoffkosten von nur 100,- € insgesamt für 250 Akkuladungen auf dieser Gesamtstrecke – doch insgesamt mehr als 1 € pro Kilometer: DURCHGEFALLEN!)

So suchte ich immer wieder nach muskelhraftgetriebenen Fahrzeugen, die über eine leichte Fahrkabine verfügten, wie ich das auch schon in den 90er Jahren in Köln auf der Fahrradmesse gesehen hatte. Doch dieser Typ scheiterte bisher immer an zwei Dingen: zu teuer (der erwähnte Prototyp hatte 17.000 DM gekostet) bzw. zu schwer und darum mit Muskelkraft nicht zu bewältigen. Auch die Lüftung, vor allem das Verhindern von beschlagenen Scheiben (bei nicht vorhandener Heizung und starkem Gebläse) blieb ein ungelöstes Problem.
Die automatische Folge: Wollte ich auf Muskelkraft umsteigen und mich von den Tücken der Abhängigkeit von Motortechnik befreien, dann war ich wieder zurückgeworfen auf das Fahrrad als Verkehrsmittel.

Wer meinen oben erwähnten Blog gelesen hat, der weiß, welche wenig berauschenden Erfahrungen ich in jungen Jahren als häufig Radfahrender gemacht habe. Die Essenz damals: Solange der Autoverkehr rollt, gehören Radfahrer unter die Erde, weil die Straße dem schnell motorisierten Verkehr ‚gehört‘ und niemandem sonst.

Somit war ich in 2003 in einer großen Hilflosigkeit angekommen: Was technisch machbar war, taugte für den Alltag nur bedingt oder war viel zu teuer. Als einzige Alternative zum Auto blieb das Fahrrad, aber meine eigenen Erfahrungen konnten mir dieses Mobilitätskonzept auch nicht wirklich als gute Alltagslösung empfehlen.
Die üblichen ‚Aber‘ gegen das Rad (siehe oben) schwirrten immer wieder um mich herum und hemmten eine Änderung in meiner Möbilität. Es gab – mit einem höchst unbefriedigenden ‚Weiter so wie bisher‘ – eine bleibende Alltagsnutzung meines Autos. Die Jahresleistung lag so bei 14.000 Kilometern.

Mir war dennoch bewusst: So wie bisher konnte und wollte ich dennoch nicht auf Dauer weitermachen. Die Tür in Richtung Fahrrad war gedanklich logisch auch eindeutig weit geöffnet, denn nur dieser Fahrzeugtyp bietet ein sinnvolles Gewichtsverhältnis zwischen Fahrzeug und Fahrer, soweit es dessen Muskelkraft betrifft. Wenn ich im Alltag zu Fuß 90 Kilogramm fortzubewegen habe, dann kann das mit insgesamt um 110 Kilogramm auf einem rollenden Untersatz nicht spürbar schwieriger werden – nur deutlich schneller. Kein anderer Fahrzeugtyp ermöglicht das.
Wenn also ernsthaft auf der Suche nach einer funktionierenden Lösung, dann nur in dieser Richtung genau weiter fragen und suchen:

Wenn es denn trotz aller ernsthaften Bedenken im Grunde mit dem Fahrrad versucht werden muss, weil andere Alternativen wegen ihrer Nicht-Eignung ausfallen, dann muss ich mich mit allem inneren Wehren doch mit seiner intensiven Nutzung im Alltag in Gedanken anfreunden!

1. Doch welches Rad ist das Richtige?
(Möglichst leicht und dennoch stabil bzw. sicher, aber auch bezahlbar)
2. Wie steht es mit der Sicherheit und dem Unfallschutz?
(starke Bremsen in jeder Situation verfügbar – also kein Rücktritt,
helle Beleuchtung ohne Abhängigkeit von Akkus – also von Muskelkraft mit einem Dynamo)
3. Was ist bei nassem Wetter oder gar im Winter bei Schnee?
(passende Kleidung mit Schutz vor Nässe und Kälte von außen, aber auch vor ungewolltem Schwitzen von innen her)
4. Wie weit komme ich in akzeptabler Zeit und mit vertretbarem Kraftaufwand?
(gute eigene körperliche Verfassung gehört dazu, aber auch die richtigen Verkehrswege und Fahrbahnbeschaffenheit)
5. Gibt es inzwischen ausreichenden Pannenschutz?
(Die üblichen Scherben, Splitter, Dornen und Streu-Splitt im Winter dürfen nicht zum wesentlichen Unsicherheitsfaktor beim Fahren werden.)
6. Wie lassen sich Lasten möglichst sicher, wettergeschützt und möglichst auch über längere Strecken transportieren?
(Wasserdichtigkeit ist ein Muss, ausreichend Stauraum und Stabilität nicht nur für kleine Einkäufe soll gegeben sein, sondern auch für 30 bis 40 Kilogramm.Transportgepäck nach Einkäufen)
7. Was ist mit dem Rad mit vertretbaren Kosten machbar?
(Beim Auto geht man ab 30 Cent bis weit darüber realistischer Kosten je Kilometer aus: Geht das auch beim Rad für unter 10 Cent, wenn man hochwertige Technik kauft? Hier sind noch geringe Stückzahlen bei der Fertigung ein zusätzliches Problem.)
8. Wie steht es mit dem Verschließ
von Reifen, Bremsen, Kette und Ritzeln? Wie oft muss gewechselt werden und wie teuer wird das?
9. Steht mir das Rad wirklich annähernd so zuverlässig und robust im Alltag zur Seite wie ein moderner PKW?
(Ein PKW benötigt in Frühjahr und Herbst je einen Reifenwechsel und in der Regel eine Jahresinspektion sowie alle 2 Jahre eine TÜV-Überprüfung; ansonsten will man die Werkstatt nur von außen sehen.)
10. Sind die Fahrbahnen für Radfahrer ausreichend gut und sicher entwickelt?
(Das Unfallrisiko muss ausreichend kalkulierbar und auf ein Minumum beschränkbar sein!!!)
11. Wie kann ich im Alltag das Rad effektiv gegen Diebstahl schützen?
(Sowohl in belebten Stadtgebieten als auch an eher menschenarmen Stellen muss es möglich sein, Rad und ggf. Zubehör für kürzere, aber auch für längere Zeit sich selbst zu überlassen. Gutes Material ist aber attraktiv für Diebe – und gutes Zubehör ist teuer in der Wiederbeschaffung.)

Diese Fragen galt es abzuarbeiten, um Mut zum Radfahren aufzubauen und um mir das richtige Gerät besorgen zu können – auch das notwendige und passende Zubehör.
Bald wurde immer klarer, dass eine Lösung im theoretischen Bereich nicht zu finden war. Ich musste einfach anfangen und ins kalte Wasser springen, wollte ich mich auf diesem Bereich ‚freischwimmen‘.

Die Fragen ließen sich ohne umfangreiches Erproben im Alltag nicht beantworten; viel zu unterschiedlich waren selbst die Einschätzungen anderer Vielfahrer, die aber alle nicht vom Auto her gekommen waren wie ich. (Der deutsche Durchschnittsradfahrer legt übrigens im Jahr etwa 500 Kilometer zurück.)
Du als Leser wartest hier zu Recht auf meine Antworten; die sollst du hier in diesem Artikel bekommen – auch wenn sie im Grunde in weiten Teilen erst das Ergebnis jahrelangen ‚Probierens‘ sind. Ich habe mir diese Haltung des Versuchens zur festen Alltagsgewohnheit gemacht. Mit dieser Einstellung ging ich im Mai 2007 an den Start – mich dabei durchaus wie ein echtes ‚Greenhorn‘ fühlend, obwohl ich bis dorthin sicher schon 20.000 Kilometer mit dem Rad in meinem Leben zurückgelegt hatte.
Denn ich war ab diesem Zeitpunkt nicht mehr ‚Schönwetterfahrer‘, der zu jeder Zeit auf das Auto zurückgreifen können wollte wie bisher, sondern wie ein kleiner Transportbetrieb, der seine Flotte auf erneuerbare Energiequellen umstellt. Das bedeutet: Auf das ‚Flaggschiff‘ der Flotte wird nur noch dann zurückgegriffen, wenn wirklich Schweres und Sperriges zu transportieren ist bzw. die Fahrstrecke so weit ist, dass ein Radfahrer damit überfordert ist.
Zu meinem 56. Geburtag schenkte ich mir ein neues Citybike; mit ihm startete ich in mein Umstiegsabenteuer.

Welches Zubehör musste mit dem neuen Rad an den Start meines Umstiegs vom Auto?

a) Wasserdichte Fahrradtaschen hatte ich bereits aus dem Jahr 1999. Die sehen noch heute in 2012 gut aus und haben keinerlei Schäden trotz hartem, regelmäßigem Einsatz auch mit schwerer Beladung.
b) Auf einen Helm wollte ich auch nicht verzichten: Wenn der Bewegungsapparat schwere Verletzungen abbekommt, dann ist eine eigenständige Lebensführung in fast allen Fällen immer noch möglich. Doch bei schweren Kopfverletzungen kann es damit sehr rasch vorbei sein.
c) Fahrradklammern sollten meine Hosenbeine von Kettenschmutz fernhalten.
d) Ein Tacho (neudeutsch: Fahrradcomputer) sollte mir Erfahrungswerte vermitteln, welche Strecken ich wirklich zurücklegte und in welcher Zeit. (Der Bordcomputer eines meiner früheren Autos hatte mich mit einem bemerkenswerten Durchschnittswert versorgt, den ich nie vergessen habe: Dieses Fahrzeug hatte seine Fahrstrecke von damals ca. 125.000 Kilometern mit einem Langzeitdurchschnitt von unter 31 Stundenkilometern abgeleistet – bei einer Jahresleistung von über 20.000 Kilometern, also keineswegs nur im Stadtverkehr! Hättest du erwartet, dass du mit dem Auto auf dauer so langsam unterwegs bist? Ich jedenfalls damals nicht. Das hatte mich wirklich überrascht.)
e) Auch eine klare Brille (ich benötige ansonsten keine) war nach wenigen Tagen bereits dabei: Im Mai sind bereits viele Insekten in der Luft und die waren in den Augen ziemlich schmerzhaft. Die Brille geht bis heute fast ganzjährig mit: Bei Kälte verhindert die Brille den Luftreiz, der die Augen zum Tränen bringt. Ein lohnendes Zubehör!
f) Ohne Helm gehe ich nicht aufs Rad. Der kann bei Hitze zur Not abgesetzt werden, bevor ich überhitze. Ansonsten ist der Kopfschutz wichtigstes Zubehörteil.

Hier geht es demnächst weiter mit dem umfangreicheren Thema ‚Kleidung‘, denn die ist weitgehend ‚Fahrerkabine‘ des Radfahrers im direkten Kontakt mit der Witterung.
Auch ein ganz entscheidender Bereich ist die Frage nach dem, was ich auf die jeweilige Fahrt als Zubehör mitnehme und wie das ohne viel Aufwand stets bereit steht.

Beide Bereiche sind diejenigen, die neben Fahrtechnik und Verkehrswegewahl die umfangreichsten Versuche erforderten – damit auch längere Zeit. Innerhalb der ersten 2 Jahre hat sich das meiste davon klar herausgebildet. Erst wenn man im Alltag durch die Jahreszeiten gekommen ist, lernt man Learning by Doing das nötige ‚Gewusst-Wie‘.

Die Entscheidung ist also gefallen, der Mut zum Start ist gefasst und die erste Grundausrüstung steht.
Ich erledige von Mai 2007 an wirklich alle Besorgungsfahrten, Termine, ‚Botengänge‘, Besuchsfahrten und Transporte mit dem Rad, wo immer das technisch realisierbar ist – und das ist es in der Tat fast immer. Wie oft hat man schon einen Kühlschrank oder ein Bett zu transportieren?

Rasch erlebte ich, dass ich im Stadtbereich meines Wohnortes Mönchengladbach mit dem Rad zumindest ebenso schnell unterwegs war wie mit dem Auto, oft aber auch schneller.
1:0 für den Umstieg bzw. das Fahrrad!

Der Stundenkilometerdurchschnitt bewegte sich dabei ’nur‘ um die 20 km/h als Dauerdurchschnitt. Erinnerst du dich an den Auto-Computer meines vergangenen edlen Volvo 840, wo selbst trotz langer Autobahnfahrten insgesamt nicht mehr als knapp 31 km/h Dauerdurchschnitt zustandekamen? Mein langjähriger Praxiswert liegt durch meine ausgedehnten Hochgebirgsfahrten, wo lange Aufstiege im Fußgängertempo dazugehören (die Hälfte der ‚eingebüßten‘ Zeit holt man durch die rasanten Abfahrten wieder herein, wenn man mag), bei 19 km/h (Messgrundlage: eine Batterieladung meines Tachos über 23.000 Fahrkilometer ohne Reset des Tageskilometerzählers, wodurch Kilometer, Fahrzeit, Gesamtdurchschnitt und Höchstgeschwindigkeit gespeichert bleiben, solange die Batterie hält).

Was ist das Geheimnis, das hinter dem flotten Vorwärtskommen mit dem Rad steckt?
1. die Verkürzung der Fahrstrecken:
Aus dem langjährigen Autoalltag waren mir die Streckenlängen meiner Hauptwege bestens bekannt. Mit dem Rad wurden sie je nach Route um 10-20% kürzer. Ein Beispiel: Besuche ich die Familie meiner ältesten Tochter im nördlichen Stadtteil, dann geht das am schnellsten über die Autobahn in 15 Minuten in verkehrsarmen Zeiten; für gewöhnlich dauert es dort 20-25 Minuten, in Stoßzeiten bin ich mit dem Rad dagegen immer schneller, weil ich durch Staus absolut nicht betroffen werden kann.
2. der Fortfall von Verkehrsstaus:
Es gibt für das Rad überall staufreie Verkehrswege.. Die Strecke in den Mönchengladbacher Norden mit PKW über die Autobahn: 19 Kilometer pro Wegstück. Mit dem Rad geht es dagegen durch eines der beiden Stadtzentren, teilweise auch durch wirklich ansprechende Stücke mit Waldbestand. Alles ist jedoch geteert. Wo immer möglich, nutze ich verkehrsärmere Teilstücke, die gleichzeitig Abkürzungen bedeuten. Mit dem Auto geht diese Route nicht zu fahren. Die einfache Wegstreckenlänge: knapp 11 Kilometer, für die ich etwa 35 Minuten benötige. Nimmt man das Auto auf ca. 11 Kilometer Stadtstraßen, so dauert der Weg bei stärkerem Alltagsverkehr auch länger als eine halbe Stunde; am Sonntagmorgen geht es auch in 25 Minuten. Doch das ist ja nicht der Regelfall, um den es im Autoalltag geht! Ich habe hier bewusst ein längeres Streckenstück für den Vergleich gewählt.
3. durch wegfallende Parkplatzsuche bzw. entfallende zusätzliche Fußwege in der City, wenn man nicht mehr mit dem PKW ein Parkhaus anfahren muss
Im reinen Innenstadtverkehr brauche ich mit dem Rad ins 3 Kilometer entfernte Stadtzentrum 10 Minuten Fahrzeit und 3 Minuten, um mich fahrbereit zu machen sowie in der City das Rad zu sichern. Mit dem PKW dauert das bei gleicher Strecke (wenn man das Parkhaus nimmt) einige Minuten länger, da ja auch der Fußweg aus dem Parkhaus zum gewünschten Ziel hinzukommt. Ich kann als Pedalritter ja praktisch unmittelbar vor jedem Ziel das Rad abstellen und sichern. Das spart Wegstrecke und Zeit ein.

Diese ersten positiven Erfahrungen in der hellen und warmen Jahreszeit taten mir ausgesprochen gut und motivierten mich, auf diesem Weg fortzufahren.

Jetzt aber kommen Wind und Wetter ins Spiel:
Nach wenigen Wochen schälte sich heraus, dass ich nicht nur etwa 50-60 Kilometer unverzichtbare Wegstrecken im Laufe einer Woche zurücklegte (dieser Wert enthält eine Überlandfahrt von 25 Kilometern zu einem Biohof als Lebensmittel-Hauptquelle pro Woche), sondern dass das Fahren aus eigener Kraft auch echte Freude bereitete, weil es körperlich gut tat. Es verbesserte meine körperliche Gesamtverfassung spürbar. Ich unternahm, meist am Wochenende, Touren durch das nähere und weitere Umland, so dass gut 200 Wochenkilometer zustande kamen (im Sommer eher mehr, im Winter eher etwas weniger). Das sind durchschnittlich knapp 30 Kilometer am Tag. Ziehe ich die Tage ab, an denen das Rad ungenutzt bleibt, dann sind es etwas über 35 Kilometer pro Fahrradtag.
Dabei lässt es sich nicht vermeiden, dass Regen ins Spiel kommt, aber auch Wind sowie Wärme.
Wie stellt man sich erfolgreich darauf ein und kommt auch in gutem Zustand im Ziel an?
Wie hoch ist eigentlich das Regenrisiko beim Radfahren? Man kann sich die Zeiten im Alltag nicht immer aussuchen.
Ein wichtiger Wert gleich zu Beginn:
Regen ist eher die Ausnahme als die Regel: Kann man seine Fahrzeiten wählen, dann beträgt das Risiko nicht mehr als 5% – also eine von 20 Fahrten bringt Niederschlag. Doch auch bei vorgegebenen Terminen bleibt das Risiko deutlich unter 10 %. Eine von 12 bis 15 Fahrten wird dann mit Regen stattfinden.
Dabei ist Starkregen und Dauerregen am Niederrhein, der für deutsche Verhältnisse über ganz durchschnittliche Niederschlagsmengen verfügt, eher die Ausnahme als die Regel. Der meiste Regen fällt in Form von Schauern, die nur von kurzer Dauer sind. Wenn man ihm entkommen will, kann man sich also auch unterstellen bzw. das Ende des Schauers abwarten.
Leichter Regen wird durch die Körperwärme und den Fahrtwind unterwegs getrocknet; man kommt trotz Niederschlages trocken am Ziel an.
Als Vielfahrer komme ich aber nicht um Schutz vor Starkregen herum.
Bei warmer Witterung erfuhr ich rasch, dass regendichte Kleidung die Körperwärme nicht ausreichend ableitet. Das Schwitzen und der Körpergeruch störten mich mehr als das Wasser von oben. In der Regel reichte mir kurze Kleidung; darum bedeutete es wenig Aufwand, ein kurzes Hemd und eine kurze Hose als Reserve mitzunehmen. Konnte ich mich nicht unterstellen, dann fuhr ich einfach durch den Regen. Die Befürchtung von Unterkühlung bestätigte sich nicht. Wenn ich Funktionswäsche, d. h. nicht saugende Kunststoff-Materialien trug, wurde die Kleidung, wenn ich sie nach einem Schauer nicht wechselte, innerhalb von 20 bis 30 Minuten am Körper trocken. Das funktioniert allerdings nicht bei Baumwollkleidung. Die saugt ein Vielfaches von dem Wasser das Funktionswäsche bei Regen aufnimmt.
Vor allem im Sommer aber trage ich persönlich lieber Baumwolle am Oberkörper, weil sich viel weniger Schweiß bildet, der dann störend riecht. Da besteht dann nur die Reservekleidung aus Kunststoff. Das hat zusätzlich den Vorteil, dass die ziemlich knitterfrei bleibt und somit auch nach längerem Mitführen noch optisch einwandfrei tragbar ist.
Und bei kalter Witterung? Da schälten sich zwei Alternativen heraus, die ich je nach Verfassung vor Fahrtantritt entscheiden kann:
a) hochwertige Regenjacke (ich bevorzuge weiten Schnitt statt etwas Körperbetontes und bestehe auf einem hautsympathischen, glatten Innenfutter!) und ebenso hochwertige Regenhose (Bergsteigerqualität): Das kostet bei guter Recherche neu um 200 € für die Jacke und 150 € für die Hose sowie wasserdichte leichte Wanderschuhe in denen ich dünne Baumwollsocken trage[/b] (standardmäßig im Outdoorbereich Jacke ab 250 € und Hose ab 200 €, Schuhe ab 130 €). Dafür hält das Material aber auch einer Stunde starkem Dauerregen stand, ohne dass Wasser und Kälte durchdringen. Darunter trage ich am Oberkörper nur ein Baumwollhemd, unten herum nur einen Schlüpfer, weil die Hose ausreichend wärmt. Alles ist wind- und Wasserdicht; man kann damit auch unter die Dusche gehen (habe ich nach einem Sturz im November in eine tiefe Schlammpfütze auch tatsächlich einmal gemacht).[b]Das ist durchaus nicht billig; ich habe aber in 5 1/2 Jahren nur die Regenjacke ersetzen müssen; Schuhe und Hose sind immer noch in guter Verfassung. Diese Variante des Regenschutzes kostet in der Grundausstattung gut 500 €; daran führt kaum ein Weg vorbei. Ich habe auch billigere Warianten ausprobiert. Doch entweder stimmt der Tragekomfort nicht und zusätzlich noch der weitaus geringere Regenschutz. Durchnässen nach 10 Minuten starkem Dauerregen taugt nicht, wenn man sicher trocken bleiben muss!
Diese Regenschutzvariante bevorzuge ich, wenn ich Besuchsfahrten mache oder Termine wahrzunehmen habe – wo es also auf ein gutes Erscheinungsbild ankommt.
b) Es geht aber auch ganz anders und vor allem einfacher: Bis zu etwa 5 Grad Celsius verzichte ich, da mir die wasserdichte Hose leicht zu warm wird, auf diese und auch auf die wasserdichten Schuhe. Ich verwende eine lange, dünne, einschichtige Outdoor-Hose, die gut gegen Wind schützt, aber nicht wasserdicht ist sowie offene Sandalen mit guter Fußführung (Birkenstock Milano in Birkoflor, einem Hautsympathischen Kunststoff-Obermaterial). Nur oben herum trage ich dann die wasserdichte Jacke. Der Rest darf ruhig nass werden, solange kein Starkwind herrscht, was nur selten der Fall ist – auch im offenen Gelände. Hose und Schuhe trocknen innerhalb einer halben Stunde beim Fahren am Körper vollständig; ich habe genug Körperwärme von der körperlichen Betätigung, um nicht kalt zu werden. Diese Variante bevorzuge ich, wenn ich auf Touren unterwegs bin, d. h. keiner bestimmten ‚Kleiderordnung‘ unterliege.

Das Thema Kleidung und Ausrüstung ist noch nicht abgehakt; dazu kommt noch einiges. Doch zunächst zurück zu den Fahrleistungen und dem, was mit dem Rad zu bewältigen ist.:
Wie weit kann eine Tagesstrecke bemessen sein? Nach dem ersten Probemonat gab es dazu mehrere Versuche, ohne irgendwelche Rekorde aufstellen zu wollen. Doch wie weit konnte eine Fahrt gehen und wie lange dauerte das? Bei guter Witterung waren mehr als 100 Kilometer kräftemäßig gut zu schaffen, wobei eine halbe Stunde Pause zur Halbzeit gut tat. Wenn ich mich (auch heute) ‚mal kurz‘ bewegen will, dann mache ich mich auf eine 30-Kilometer-Tour. Hinfahrt gegen den Wind und zurück mit Zusatzantrieb aus regenerativen Energiequellen also. Mehr als 1 !/2 Stunden braucht es dafür nicht.
Welche Fahrzeit ist auf langen Strecken zu kalkulieren? Insgesamt 5-6 Stunden Fahrzeit gehörten zur Maximalstrecke dazu, solange das Gelände vorwiegend eben bleibt. Stärkerer Wind verlangsamt die Fahrt von knapp 20 Km/h (also nicht langsamer als auf kürzeren Strecken) um 2-3 Stundenkilometer auf 17-18 km/h Gesamtdurchschnittstempo.
Wie wirken sich längere und starke Steigungen aus? Das konnte ich erstmals im norwegischen Hochgebirge ausprobieren, wo Anstiege mit 400 bis 700 Höhenmetern am Stück bei 6 – 10% Steigung die Regel sind. Will ich dort die Fahrzeit einer längeren Tour kalkulieren, muss ich die Höhenmeter der Anstiege so berechnen, dass ich pro Minute mit 7 Metern auf Dauer aufsteigen kann. Die Aufstiege kommen zur normalen Fahrstrecke einfach zusätzlich hinzu. Diese Zeit kann ich als Kalkulationswert allerdings halbieren, da bei den schnellen Abfahrten etwa die Hälfte des zusätzlichen Zeitaufwandes wieder hereingefahren wird. Beispiel: 420 Höhenmeter : durch 7 = 60 Minuten : 2 = 30 Minuten zusätzliche Fahrzeit. Bei Touren mit 1250 Höhenmetern muss ich 1 1/2 Stunden Zeit mehr einkalkulieren. Auch Pausen benötige ich dabei mehr, sonst setzt mir das konditionell (und sei es nur durch Überwärmung bei warmer Witterung) so zu, dass ich mich unterwegs nicht mehr wirklich wohl fühle. 10 Minuten Abkühlen, etwas Wasser trinken und die Welt ist wieder in Ordnung.
Wie fährt es sich auf Feldwegen, Sandpisten und dort, wo es nicht geteert ist? Solange die Fahrbahn fest und nicht tief sandig bzw. voller steinigem Geröll liegt, bereitet das fahrtechnisch keinerlei Probleme mit normalen Straßenreifen. Breite Reifen von 2 Zoll sind allerdings von Vorteil, wenn auch keinerlei Notwendigkeit.

Stichwort: Körperliches Wohlgefühl:
Jeder Langstreckenfahrer mit dem Auto kennt das: Stundenlanges Stillsitzen, ohne die Sitzhaltung ändern zu können, kann alle möglichen Missempfindungen, vor allem in den Gliedmaßen mit sich bringen. Das ist auch beim radfahren nicht anders. Ein zu fester Griff am Lenker bzw. zu geringe Auflagefläche für die Hände/Finger kann zu Taubheitsgefühlen führen, die einem das Fahren gründlich verleiden. Muss es aber nicht: Anfangs habe ich mir mit gepolsterten Radfahrfhandschuhen (ohne Finger) beholfen. Doch im Sommer war mir das viel zu warm und daher keine Ganzjahrslösung. Die fand sich aber auf andere Weise: Durch ergonomische Lenkergriffe (ich nutze heute solche mit 3-Finger-Hörnchen am liebsten) ermöglichen einerseits einen Wechsel der Griffposition, was die Belastungen wechseln lässt, wodurch sich die in der Durchblutung gestörten Zonen wieder erholen und entspannen können. Andererseits haben sie breitere Auflageflächen als ein einfach runder Lenkergriff, wodurch sich das Greif-Gewicht auf dem Lenker besser verteilen kann, was die Punktbelastung auf jeden teil der Hand bzw. der Finger vermindert, wodurch Durchblutungsstörungen überhaupt seltener auftreten. Mit diesen Lenkergriffen kommen meine Hände auch nach den längsten Touren vollkommen entspannt ans Ziel.
Die nächste Problemzone ist der Sitzbereich: Wie leicht wird auf langen Touren etwas wund oder unterwegs sehr unangenehm taub. Auch das kann leicht zur Plage werden. Dem Sattel kommt deshalb eine sehr hohe Bedeutung zu. Ich habe in dem ersten Jahr des Umstieges rasch auf einen sehr bequemen, gut gepolsterten Sattel und zusätzlich auf eine einstellbare Sattelfederung gesetzt.

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Das Foto zeigt diesen extrem bequemen Sattel für das Fahren mit aufrechter Körperhaltung. Er ist superweich gepolstert. Nach 125 Kilometern gab es nicht die geringsten Probleme im Sitzbereich.
Da ich später auf vollgefederte Räder (Mountainbikes) umgestiegen bin, wobei auch meine Sitzhaltung mehr nach vorne geneigt wurde, bekam dies eine geringere Bedeutung: Dafür wurde das Auflagegewicht am Lenker größer. Meine Sättel wurden standardmäßiger und härter. [b]Mit einem einfachen Seriensattel, der eine glatte Oberfläche aus Kunststoff hat, komme ich heute am besten zurecht. Ein 50-70 € teurer Spitzensattel ist absolut nicht erforderlich, wenn der Sattel ansonsten die richtige Breite hat. Die Sitzhöcker benötigen eine gute Auflage
; diese darf aber auch nicht zu breit ausfallen – wobei Frauen in der Regel einen breiteren Sattel benötigen als Männer. Mit Körpergröße hat das also nichts zu tun. Ich habe auch teure Sättel gefahren; einen Vorteil gegenüber dem aktuellen Seriensattel auf meinem Birdy boten sie alle nicht.
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Der glatte Sattel des Birdy hat keinerlei Lüftung und auch keine Entlastungsrille für den Damm wie andere teure Markensattel, die ich gefahren bin. Dennoch ist er mit all seiner Schlichtheit heute mein liebster Sattel, weil das Wohlgefühl im Sitzen voll in Ordnung ist, was auch sehr lange Touren angeht.
Die wichtigste Strategie bei Irritationen im Sitzbereich: Ich gehe nur für wenige Sekunden aus dem Sattel, wenn das Wohlgefühl dort nicht mehr stimmt – und schon ist wieder alles völlig entspannt d. h. in Ordnung.
Mehr Zauber braucht es nicht, um auch die längste Tour zu bestehen. Dennoch bin ich nicht völlig gefeit gegen wunde Stellen im Schritt. Sie können auftreten, wenn sich Feuchtigkeit durch Schwitzen auf langen Touren staut. Doch dem trete ich unparfümiertem Bio-Fett, dünn aufgetragen, entgegen. Das ist alles. Mitunter wische ich auch nur vorsichtig immer wieder alle Feuchtigkeit ab und trage gar nichts auf. Der Spuk verschwindet von selbst nach wenigen Tagen. Mit Entzündungen hatte ich dabei nie zu tun. (Von Desinfektionen aller Art bei Wunden/Verletzungen halte ich mich ohnehin fern – es sei denn,es ist etwas aufgetreten. Dann reinige ich mit Wasser und desinfiziere. Dazu eignet sich z. B. einfache 10%-ige Kochsalzlösung, die unbegrenzt haltbar ist. Unterwegs auf Reisen führe ich eine alkoholische Lösung mit mir.)

Stichwort Pannenschutz:
Das Thema wurde bei mir rasch aktuell, denn nach wenigen Monaten traten gleich mehrere Durchstiche mit Platten am Hinterrad auf. Der serienmäßige Pannenschutz reichte also nicht. Ich wechselte umgehend auf den ‚Marathon Plus‘ von Schwalbe, der als ‚Unplattbar-Reifen‘ beworben wird. Und tatsächlich: Solange ich mein City-Bike fuhr, gab es nie wieder eine Reifenpanne. Die Einlage im Reifen ist so dick, dass selbst eine Heftzwecke nicht in den Schlauch vordringen kann, wenn sie ganz eingestochen wird.
Für ein Mountainbike erwies sich diese Reifenlösung jedoch als nicht optimal: Zwar ist der Pannenschutz optimal, aber im Fahrverhalten ist der Reifen in breiter Ausführung bei der Kurvenfahrt schwammig und nicht knackig genug. Darum stieg ich auf Faltreifen der Typen ‚Marathon Supreme‘, ‚Marathon Extreme‘ und schließlich ‚Marathon Dureme‘ um. Diese Reifen haben eine Kevlar-Einlage, die eindringende Fremdkörper brechen bzw. abschleifen soll. Es ist also ein hartes statt ein dickes Material für den Durchstichschutz. Der ‚Dureme‘ hat zusätzlich einen Flankenschutz, was bei Fahrten durch steiniges Gelände, aber auch an Bordsteinkanten deutlich sicherer macht. Einen ‚Supreme‘ habe ich in Norwegen mit Flankenschaden verloren; mit einem Faltreifen als Reserve an Bord konnte ich im Niemandsland des Hochgebirges den Schaden selbst beheben und weiterfahren. Leider ist Kevlar nicht ganz so effektiv als Durchstichschutz wie die dicke Schaumeinlage des ‚Marathon Plus‘. Durchschnittlich alle 9.000 Kilometer erwischte es mich damit dennoch. Doch ich glaube, das ist ein immer noch ganz guter Wert, mit dem ich leben kann, auch wenn hier dicke Autoreifen eindeutig gegen Fahrradreifen mit Kevlareinlage punkten können. PKW-Platte in dieser Zeit: nur einer auf 60.000 Kilometer.

Was geht auf die Fahrt mit, damit ich selbst Probleme und Pannen beheben kann?
Jedes Teil auf der Fahrt hat Gewicht; im Idealfall ,möchte ich also gar nichts Zusätzliches mit an Bord nehmen. Doch meine Trainingsfahrten bzw. Touren führen mich über Land und damit aus dem Bereich des gut abgedeckten öffentlichen Personennahverkehrs hinaus. Da sollte man sich im Zweifelsfalle schon selbst helfen können und nicht ungünstigstenfalls zig Kilometer schieben oder ein Taxi suchen und zahlen müssen.
Wenn ich zum Einkaufen im Ort bin, dann nehme ich grundsätzlich nichts zusätzlich mit, was nicht unbedingt sein muss. Doch über Land geht ein Schlauch, Reifenheber und eine Luftpumpe mit. So kann ich jede Panne rasch beheben, ohne flicken zu müssen. Das passt auch ohne Tasche in einer Plastiktüte auf den Gepäckträger. Für lange Touren in einsamem Gelände geht zusätzlich ein Faltreifen mit, weiterhin Lappen als Unterlage und zum Reinigen. Außerdem ein Flickzeugsatz für den bösen Fall von zwei Reifenschäden. Schließlich noch ein Werkzeugtool mit allem sonst noch möglichem Bedarf. Das ist alles und wiegt zusammen nicht mehr als gut 1 Kilogramm. Die Sachen liegen zu Hause für den Bedarfsfall stets ferig gepackt und müssen nicht zusammengesucht werden. Pannenschutz muss unkompliziert sein!

Aktive Sicherheit:
Hier geht es vor allem um gute Bremsen mit schneller Wirkung. Da habe ich alles Denkbare ausprobiert. Das tröstliche: Es muss nicht unbedingt das Teuerste sein.
Doch erst einmal: Wovon muss ich abraten? Rücktritt, denn in plötzlichen Gefahrenmomenten steht das Pedal nicht immer richtig für eine sofortige Notbremsung. Das ist gefährlich, weil wertvolle Zeit verloren geht. Rollenbremsen: Die sind zwar wie Rücktritt wartungsfrei, aber ihre Bremswirkung ist nicht unbedingt ausreichend – vor allem ist bei vielen der Kraftaufwand für eine ausreichende Bremswirkung zu hoch. Gerade für schwächere Hände gefährlich! Trommelbremsen: Auch hier genügt mir die Bremswirkung nicht – das gleiche Problem wie bei Rollenbremsen.
Damit zum wirklich Brauchbaren: Voll ausreichend sind Felgenbremsen mit V-Brakes. Deren Bremswirkung ist so gut, dass es Bremsgriffe für nur 2 oder 3 Finger gibt, weil sonst die Räder zu leicht blockieren. Die Beläge halten bei mir mit diesem Typ 3000-4000 Kilometer; hinten ist der Gummi zuerst abgefahren.
Ebenso zufrieden bin ich mit hydraulischen Bremsen, also ohne Bremsseilzüge als Felgenbremsen. Die Bremswirkung ist etwas weicher, aber ebenso effektiv. Die Bremsbeläge halten länger 6000-8000 km, dafür ist die Bremsanlage teurer.
Die Spitze bildet die hydraulische Scheibenbremse. Nichts bremst so giftig und effektiv wie sie, aber auch nichts kostet so viel wie sie. Die beläge halten bei mir um 5.000 km.
Mein Birdy als aktuelles Lieblingsrad hat die einfachen V-Brakes; im Hochgebirge und auch im Großstadtdschungel machen die eine erstklassige Figut Mehr muss also nicht unbedingt sein, wenn man erstklassige Bremsen haben möchte. Ich wiege übrigens alleine um 95 Kilogramm im Winter; mit 5 kg Wetterschutz und Pannengepäck sind beim Birdy dann 115 Kilogramm abzustoppen.

Passive Sicherheit:
Dieser Punkt spielt bei jedem PKW eine ganz große Rolle: Es geht einerseits um das Verhindern von Unfällen und andererseits um maximalen Verletzungsschutz im Falle des bösen Falles. Da beim Fahrrad der schützende ‚Panzer‘ entfällt, kommt diesem Aspekt noch höhere Bedeutung zu.
Sichtbarkeit: Jede Art von Tarnung ist beim Radfahren blanke Selbstgefährdung. Da Zweiradfahrer allgemein leicht übersehen und unterschätzt werden, kann man gar nicht genug auffallen. Zu diesem Zweck fahre ich tags wie auch nachts immer mit Licht. Damit das nie ausfallen kann, erzeuge ich den Strom selbst mit gutem Nabendynamo. Den merkt man im Gegensatz zu den alten Reibrollendynamos praktisch nicht mehr; der zusätzliche Kraftaufwand ist absolut nicht spürbar. Doch die gesetzlich vorgeschriebene Helligkeit von 10 Lux ist für gute Sichtbarkeit, nicht nur am Tage völlig unzureichend – übrigens auch für die flotte Fahrt bei Nacht. Der Lichtkegel ist zu schwach und nicht weit genug. Ab 40 Lux Helligkeit mit LED beginnt ordentliche Fahrradbeleuchtung; mir selbst gefallen die bis zu 75 Lux aus meiner straßenverkehrszugelassenen Supernova am Birdy am besten: ein sehr breiter Lichtstreifen auch im Nahbereich bis in die eingestellte Ferne (vorgeschrieben sind maximal 10 Meter Leuchtweite; ich stelle etwas weiter ein, doch für andere immer noch blendfrei). Als Vielfahrer gebe ich die 165 € dafür gerne aus, die dir vielleicht sehr überteuert vorkommen. Doch das Licht ist fast ebenso hell wie ein Autoscheinwerfer und ermöglicht auf diese Weise rasche und sichere Fahrt auch in der Dunkelheit. Das hellste auf dem Markt, der ‚Big Bang‘ mit 140 Lux als Akkuscheinwerfer kostet das Dreifache, bietet aber keinen Vorteil mehr auf der Strecke, der diesen Mehrpreis rechtfertigen würde. Ich habe ihn, nutze ihn aber fast gar nicht mehr. Beim Rücklicht ist ein Leuchtstreifen von Vorteil, weil die Breite des Leuchtkörpers Autofahrern die Abschätzung des Abstandes zum vorausfahrenden Radfahrer erleichtert.
Sichtbarkeit wird auch gefördert durch reflektierende Flächen an Kleidung und Fahrradtaschen. Leuchtende Farben an Kleidung und Taschen sind vorteilhaft, aber bei Verwendung des Vorgenannten nicht zwingend nötig.
Über die Notwendigkeit eines Helmes bei Radfahren lässt sich wohl streiten. Doch er ist für den Kopf das, was beim Auto der Airbag darstellt – ein wirkungsvoller Aufprallschutz und damit Risikopuffer für das Gehirn als menschliches Steuerzentrum. Ein körperlich unversehrter Bewegungsapparat ohne intakte Zentrale funktioniert einfach nicht mehr. ‚Defekte‘ Gliedmaßen sind kompensierbar – ein kaputtes ‚Betriebssystem‘ dagegen nicht! Mir als Vielfahrer wardarum der Helm von Beginn an ein Muss. Dabei ist es bis heute geblieben. Allerdings nutze ich nur noch Helme mit maximaler Wärmeableitung ohne Insektenschutz. Denn ein überwärmter Kopf unterwegs bedeutet immer auch eine nur noch eingeschränkt funktionierende Hirnfunktion und damit ein Unfallrisiko. Ehe das einsetzt, setze ich den Helm lieber ab – so bei warmer Witterung bei langen steilen Anstiegen.

Dieser Artikel erreicht fast die technisch mögliche Maximallänge, obwohl noch längst nicht alle wesentlichen Punkte für eine maximale Fahrrad-tauglichkeit als echten Auto-Ersatz abgearbeitet sind. Dafür wird es eine Fortsetzung benötigen – in einem neuen Artikel.

So stellen sich noch diese Fragen:
– nach Fahrradtypen,
– Gepäcktransport von größeren und schwereren Teilen,
– die Streckenwahl sowie
– die Beschaffenheit der vorhandenen Fahrbahnen für Radfahrer in der Stadt und auf dem Land,
– Fahrten bei Schnee bzw. Frost,
– die Kostenfrage im Vergleich zum Auto (ohne rosarote Brille!),
– die Zuverlässigkeit des Fahrrades im Dauereinsatz im Vergleich zum Auto,
– das heikle Thema Unfälle bzw. Stürze (ja es gab sie mehrfach, aber keine schwerwiegenden),
– und schließlich der wirksame, aber unkomplizierte Diebstahlschutz hochwertigen Materials.

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Meine Leidenschaft fürs Hochgebirge muss man nicht teilen; darum werde ich auf die Bedingungen dort eher nicht eingehen. Nur so viel: Ich mache das immer wieder sehr, sehr gerne, egal wie lange es bergauf geht. Denn die Aussichten und die Abfahrten sind einfach grandios (solange man es nicht mit der Angst bekommt) und Aufstiege verlieren jeden Schrecken, solange man dabei leicht treten kann, was bei üblichen Mountainbikes stets möglich ist. Im kleinsten Gang fährt man mit jeder Pedalumdrehung nur noch gut 1,50 Meter, was im Regelfall raschem Wandertempo entspricht. Doch das Gepäck muss man dabei nicht auf dem Rücken tragen! Nur mein erstes City-Bike mit seiner 8-Gang-Nabenschaltung bereitste dabei etwas Probleme, weil die kleinste Abwicklung bei 2,40 Metern lag, was die Belastung der Kniegelenke erheblich verstärkt.

Also mehr dazu an anderer Stelle!

Der Artikel wird in 2b fortgesetzt.