3.4. Ökologisch leben wollen kann ziemlich frustrierend sein: Darum hier in die Untiefen der eigenen Seele hinabsteigen – Was hält mich so stark im Anti-Ökologischen fest?

P1120976a(schiefes Lebenshaus…? Vorzeigebereich eines Firmengebäudes – optisches Sinnbild unseres vorherrschenden Wirtschaftens)

Bemühen um eine ökologische Lebensführung mit ganz privaten Einblicken- macht so etwas Sinn bei einem öffentlichen Auftritt?

Nun, ich befinde mich mit dem, was es zum Thema’Aanti-ökologische Untiefen‘ in meiner äußeren Realität gibt, mit Sicherheit in bester Gesellschaft. Mein Lebensalter bewahrt mich allerdings vor allzu viel Scham, wenn ich hier tiefere Einblicke gewähre. Ich habe niemandem mehr etwas zu beweisen und darum auch weniger zu verbergen.

Mit zunehmender Lebenserfahrung werden einem Menschen seine persönlichen dunklen Schatten immer bewusster – vor allem, wie gut man sie in frühen Jahren vor sich selbst verborgen hat. Diese ‚Leistung‘ befindet sich durchaus auf dem Niveau eines Kleinkindes, das sich die Augen zuhält und dann davon ausgeht, es sei jetzt für andere unsichtbar, also versteckt. Was für mich galt und gilt, das trifft bei näherem Hinsehen ebenso auf meine vorherrschende Lebensgesellscahft zu: Blicke ich auf das Konsumverhalten meiner durchschnittlichen Mitwelt, dann entdecke ich dabei noch heute viele ähnliche Grundzüge in all dem, was heute als ’normal‘ und als ‚anerkannt‘ gilt – man will grundsätzlich an der Üppigkeit der eigenen Ansprüche nicht rütteln und schon gar nicht rütteln lassen. Auch ich habe bis heute nicht wirklich zu einem anspruchsarmen, einfachen Leben gefunden, auch wenn ich das im Hinblick auf das eigene Ego gerne behaupten würde.

Starte ich hier den Ausflug in meinen persönlichen Werdegang: Wer früher Gelegenheit hatte, im Alltag meine eigenen Lebenskreise zu verfolgen, der musste bei wachem Interesse viel Ungereimtes und Unbrauchbares entdeckt haben. Doch über ’so etwas‘ sprach und spricht man ja für gewöhnlich nicht, weil man sich damit nicht gut ins öffentliche Licht setzen kann. Mit diesem Tabu breche ich in diesem Artikel gründlich.

Ökologie war in meinem ersten Lebensdrittel noch kein ernst zu nehmendes gesellschaftliches Thema im Alltag. Jeder konnte auf diesem Gebiet problemlos ’schamlos sündigen‘, ohne je damit konfrontiert zu werden. Verschwendung war der Normalzustand. Energie war billig, Industrieprodukte ‚voll angesagt‘ und die Zeit des immer rascheren Ersetzens hatte ebenfalls schon begonnen. Müll war in Mengen da – aber kein wirklich ernstes Thema im öffentlichen Leben. Das war die Zeit, in der allerorten für jeden sichtbar, hohe Müllberge aufgetürmt und danach begrünt wurden. Desinteresse galt erst recht für Recycling. Betrachte ich aktuell die herausgestellten Müllmengen zu den Abfuhrterminen in meiner eigenen Wohnsiedlung, dann kann die Müllvermeidung in der Praxis auch heute noch keine bedeutende Rolle spielen – auch wenn das Thema oft öffentlich angesprochen wird – wohl mehr Lippenbekenntnisse als engagiertes Handeln, leider. Etwas ändern – das wurde und wird immer noch entweder vorwiegend von ‚den anderen‘ oder von ‚denen da oben‘ erwartet. (Auf diesem Gebiet habe ich selbst bis heute eine Reduktion um gut 70-80 % im eigenen Bereich gegenüber früheren Jahren geschafft. Das soll an dieser Stelle nur belegen, dass wirkungsvolle Änderung sehr wohl von jedem selbst ausgehen kann. Ich mache es nur nicht davon abhängig, ob auch die anderen mitziehen oder nicht.)

Vor allem geht es in diesem Artikel aber um den Versuch eines persönlichen Schuldbekenntnisses aus ökologischem Blickwinkel. Wer selbst erfolgreich Änderungen in Eigenverantwortlichkeit bewirken will, der kommt nicht daran vorbei, seine eigenen Verstrickungen in die kollektive Ausbeutung und Belastung von Umwelt und Mitmenschen weltweit zu durchforsten und als unerfreuliche Tatsache anzuerkennen. Dabei geht es nicht nur um CO2 und Müll; es geht um meinen tatsächlichen, umfassenden Anteil an der unguten Entwicklung auf dieser Welt, die weit mehr als nur die Klimaerwärmung zum Inhalt hat.

  • Es geht z. B. um Geld und meine Beteiligung an der Ausplünderung von Menschen und Naturschätzen in Ländern der so genannten ‚Dritten Welt‘.
  • Es geht um den Primat des Genießens und damit um Ersatzbefriedigungen, die sich echten Bedürfnissen und deren Befriedigung vorlagern – ich will das hier einleitend als eine noch zu erklärende ‚Ümmelchen-Strategie‘ etikettieren. (Besser als alle Worte kann das folgendes Lied von ‚Die Streuner‘ – aufrufbar als musikalischer, heiter dargebotener Gesellschafts-Spiegel hier . ‚Kümmelchen‘, ‚Krümmelchen‘, ‚Stümmelchen‘ und ‚Lümmelchen‘ aus den einzelnen Strophen geben das äußere Gerippe dieser Ümmelchen-Lebensstrategie ab.) Dabei wird als Folge von früher persönlicher Entmutigung ein billiger Ersatz für ein selbst gestaltetes Leben angenommen, was sicher auch noch viele andere Gesichter annehmen kann. Einige der jedem bekannten ‚Ersatzhandlungen‘ stellt das Lied mit einem verschmitzten Lächeln vor.
  • Es geht weiterhin um Besitz, um das Haben. Inwieweit bereichert es das Dasein und inwieweit belastet es überwiegend?
  • Es geht auch um das Verhältnis zwischen dem, was sich messbar ‚beweisen‘ lässt im Vergleich zu dem, was als Erfahrungsschätze der Menschheit über tausende von Jahren tradiert wurde – egal ob mündlich oder schriftlich, weil die jeweiligen Generationen diese Traditionsinhalte als wirklich wesentlich für ein gutes Leben einschätzten und auf diese Weise ‚gegen das Vergessen‘ wirkten..
  • Nicht zuletzt steht die Frage nach dem, was ich anderen Wesen und meiner ‚unbelebten‘ Mitwelt zumute: denn diese Zumutungen fallen auch als Rückwirkungen der ‚anderen‘ und deren geistiger Verstrickung auf mich selbst zurück. Das gilt ebenso für Lärm, Gefahren und Verschmutzungen der eigenen Lebensumgebung – nicht zu vergessen die heute üblichen Krankheitsbilder wie Allergien, Unverträglichkeiten, der ‚unheilbaren‘ Zivilisationskrankheiten rund um Gelenke, die Wirbelsäule, das Verdauungssystem bis hin zu Krebserkrankungen.

Ich will hier den Versuch unternehmen, anhand der ersten vier ‚Spielfelder‘ meinen persönlichen Anteil an der ökologischen Weltmisere nachzuspüren. Ich gebe ihnen die Titel

  1. Erfolg versus Sinnenfreude
  2. Erkennen versus messbarem Vorweisen
  3. Machtansprüche
  4. Mein und dein – Besitz verpflichtet

Dieser Artikel soll noch überschaubar bleiben, darum die Beschränkung auf diese vier Schwerpunkte, die sowohl meine innere wie auch meine äußere Welt als Scherenschnitt-Bild ganz gut portraitieren lassen.

P1100558a(’normal‘: (auch wir) Reiche leben auf Kosten Armer)

  1. Erfolg versus Sinnenfreude: Jeder erschließt sich seine Welt selbst. Dazu gehört selbstverständlich die innere eigene ‚Ausstattung‘ – ihr gegenüber steht die äußere Mitwelt, mit der dies in einem Zusammenspiel stattfindet. Wutausbrüche, die Stimme erheben, Widerworte geben: So etwas hatte in der Welt meiner Kindheit einen schweren Stand; es sollte dort möglichst nicht sein. Eigenes Wollen geduldig und beharrlich in kleinen Schritten selbst zu verfolgen und zum Erfolg zu führen – dafür galt dies in ähnlicher Weise, weil es die Kreise der mich Begleitenden mitunter deutlich störte. Allerdings spürte ich die Gegenkraft dazu auch stark in mir selbst. Hochgefühlen von eigenem Erfolg standen früh eigene sensorische Erfahrungen gegenüber, die sich so ähnlich anfühlten, obwohl nichts ‚Reales‘ dahinter steckte. Meine kleinbürgerliche, wohl behütete Lebensumgebung war voll von solchen Lustquellen, die mich früh von meinem eigenen Bestreben ablenkten, mich mühevollen Eigenversuchen zur Selbstentfaltung – gepaart mit Frustrationen und dem Risiko des Scheiterns – zielstrebig auszusetzen. Angenehmes, Bequemes, Aufreizendes – besorgt von der überstarken Erwachsenenwelt – so lässt sich diese erste eigene, durchaus frühe Fehlentwicklung umschreiben. Ich war spätestens mit fünf Jahren bewusst ‚voll dabei‘ und gab mich gerne diesem Strom des Wohlseins hin, der mir von außen her angeboten wurde.
  • Schon die Umschreibung macht deutlich, dass hier eine Art von Selbstverrat stattfand: Ich will mich hier nicht hinter meiner damaligen Mitwelt als den eigentlich verantwortlichen Verursacher verstecken, darum betonte ich eben, hier auch eine Eigenbeteiligung bereits als Fünfjähriger bewusst wahrgenommen zu haben. Was da stattfand, war eine Umpolung meiner Sinnlichkeit in Form einer Selbstnutzung zum Zwecke von Wohlgefühlen verschiedenster Art. (Also: Auch ich war mit verantwortlich. Dies anders zu sehen macht es einem schwer, aus eigener Kraft selbst Veränderungen zu Besserem anzustreben, darum blieb ich auch als Kind im ‚Vorschulalter‘ selbst ein Stück Herr des eigenen Handelns, selbst wenn es von außen her ungünstige Einflüsse gab.)
  • Dazu gehörte das Essen und Trinken und mit ihm die Manipulation von Geschmack und Geruch für die eigene Aufreizung dieser Sinne bis hin zur Berauschung. Die ‚gutbürgerliche Küche‘ bot hier ein reichliches Angebot; auch außerhalb von ihr waren Kioske und die aufkommende Fastfood-Bewegung und nicht zuletzt Gaststätten willkommene Orte für die ‚Selbstverzauberung‘, mit der sich ein frustrierender und langweiliger Alltag in rosarotes Licht tauchen ließen. Ein kleiner Rausch durch Weingummi, eine Tafel Schokolade oder eine (kleine) Tüte Erdnuss-Flips – sinnliche Freuden!
  • Hierhin gehört auch ‚beeindruckende‘ Musik ebenso wie wohltuende wie auch aufwühlende Äußerungen von Mitmenschen, wozu auch massenmediale Produkte zählen können. Selbstbestätigung wie auch (nur behauptete) Abgrenzung wird hier ganz persönlich – also exklusiv – betrieben. Selbstverwirklichung war das Modewort meiner späten Jugend, die aber konsumierend nun einmal nicht erreichbar ist. Das habe ich damals allerdings nicht so gesehen.
  • Es folgt die Bilderwelt, die mich anzog oder abstieß. Hier ist wie bei der akustischen Welt auch das eigene soziale Umfeld beteiligt. Massenmedien wie auch die eigene Traumwelt wirken weiterhin mit am Aufbau dieser visuellen Welt, die zu mir passte. Sie war stark mit geprägt durch Technik mit all ihren Vorzügen wie ebenso ihren Nachteilen. So betrachtete ich z. B. mein erstes Auto als eine Art Raumschiff, das mich durch Bilderwelten hindurch gleiten ließ (allerdings auch durch frustrierende und abstoßende Regionen und mit allen Nachteilen wie Lärm, Gestank und verstopften Straßen).
  • Die Sensorik wird vervollständigt mit dem Tastsinn. Ich habe früh dankbar erfahren, wie schön sich der eigene Körper anfühlen kann – welche reiche Welt in diesem Sinnesbereich liegt. Das erschöpfte sich keinesfalls in Sexualität, die bei mir allerdings früh einen besonderen Platz eingeräumt bekam – zunächst vorwiegend mit autoerotischer Intention.

In diesem Bereich erfahre ich mich bis heute stark vorgeprägt und zu meinem Bedauern ziemlich ‚besetzt‘ (=okkupiert) – wobei ich schwer ausmachen kann, was auf vorgeburtlicher Mitgift und was in Interaktion zwischen Mitwelt und mir zustande kam. Meine Sinnenwelt steht jedenfalls weit vorne in meiner Wahrnehmung und bestimmt in hohem Maße mit, welchen Dingen ich mich handelnd zuwende. Mir ist klar, dass diese Polung bei vielen anderen weniger stark ausgeprägt ist – auch wenn unsere Wirtschaftsorganisation uns allgemein massiv in diese Richtung drängt.

P1180376(Besinnungsort für mich)

2. Erkennen versus messbarem Vorweisen: Die Verdrängung von Religion aus dem privaten und öffentlichen Leben begleitete früh mein Leben. Ich wollte mich als Kind von 8 Jahren nicht mehr mit Inhalten identifizieren, die nicht rational fassbar, messbar und beweisbar waren. Alles Märchenhafte und Religiöse fiel in diesen Bereich. Hier spielt sicher auch der Eintritt in das Abenteueralter eine Rolle, das das Reale vor das ‚Zauberhafte‘ stellt. Problematisch waren dabei für mich als Kind vor allem die Repräsentanten meines katholischen Glaubens, die im Religionsunterricht an der Volksschule vor Backpfeifen oder Kneifen als schmerzhaften Strafen nicht zurückschreckten – im Widerspruch zu ihrer eigenen Lehre der Geduld und des Verzeihens. Zumindest in meiner Jugend wurde Kirche für mich erst einmal völlig uninteressant. Ich fand mich in ihren Themen nicht wirklich vertreten und angesprochen. Selbstlosigkeit ist allerdings auch kein ausgesprochen jugendliches Thema, wenn ich davon absehe, dass Jugendliche weniger berechnend an Idealvorstellungen und deren Umsetzungen herangehen und insofern automatisch oft weniger berechnend und dadurch auch selbstlos handeln. Ich verschrieb mich im Bereich dessen, woran ich ‚glauben‘ wollte, dem mir als sensorisch Fassbaren. Damit wertete ich allerdings auch meine persönliche Erfahrungsseite enorm auf; sie wurde aus meiner aktuellen Sicht sogar eindeutig überhöht. Jedem mich hinterfragenden Vorstoß von außen her konnte ich auf diese Weise mit meinem eigenen ‚Nicht-so-Sehen‘ entgegentreten. Es muss für meine soziale Mitwelt ziemlich demotivierend gewesen sein, sich mit mir auseinender zu setzen, denn sie hatte bei mir aus persönlicher heutiger Sicht kaum eine Chance, ein faires Gehör zu finden.

Unsere schulwissenschaftlich dominierte Gesellschaft geht einen ähnlichen Weg, indem sie die alten Weisheitslehren, die ohne mathematische Modelle und derartiger Beweisführung vorgingen, in den Bereich des ‚Überholten‘ rücken und es als ‚vorwissenschaftlich‘ abwerten. Die eigene Methodik behauptet die akademische Wissenschadtlichkeit in ihrem Anspruch als die Form der Erkenntnis, die allen anderen Zugangsformen haushoch überlegen ist. Dabei kann sie in weiten Teilen auf den von ihr als unwissenschaftlich bezeichneten Erkenntnisbereichen nicht einmal Konkretes beitragen, weil sich deren Gegenstände der unmittelbaren Sinnlichkeit, die sich mathematisch erfassen und ‚belegen‘ lässt, schlichtweg entziehen. Unsere vorherrschende Art von Wissenschaftlichkeit beschränkt sich in ihrer Erkenntniswelt somit nur noch auf Teilbereiche menschlichen Fragens und Suchens nach Erkenntnis oder Selbsterkenntnis – ähnlich wie ich es in jungen Jahren für mich entschied, indem ich mich und meine Sinne als das entscheidende Maß aller für mich geltenden Dinge erhob. Ich befand mich durchaus in ‚bester Gesellschaft‘.

Diese gesellschaftlich bis heute anerkannte Hybris der akademischen Wissenschaftlichkeit als der einzig ‚gültigen‘ (ernst zu nehmenden)  Welterkenntnis mühe ich mich heute hinter mir zu lassen; in meiner äußeren Mitwelt muss ich mich zu diesem Zweck außerwissenschaftlichen Bereichen zuwenden, die sich allerdings zum Glück nie ausrotten ließen. Menschheitsweisheiten wurden und werden tradiert, weil sie eine Art von kulturellem Langzeitgedächtnis der Menschheit darstellen. Dabei geht es um Grundfragen des menschlichen Daseins, die man stets mit übermenschlichen Wesen, mit Zauber und auch mit kosmischen Erscheinungen in Verbindung brachte – mit Ergebnissen, die offensichtlich den Alltag vieler Generationen stets aufs Neue anregend bereichern konnten. Hätte man sich auch sonst die Mühe gegeben, sie an die Nachfolgenden weiter zu geben? Man machte vielleicht früher nicht so viele Worte wie heute, dafür aber mehr wesentliche.

5198608IMG_5038(wenn es ‚anders kommt‘ – zum Glück mit dem Leben davongekommen…)

3. Machtansprüche: Es geht einerseits um Besitz, um das Haben – inwieweit bereichert es das Dasein und inwieweit belastet es überwiegend? Andererseits geht es um Ansprüche, die man selbst an andere stellt – was man von ihnen zu erwarten können glaubt oder was sie einem ’schuldig sein‘ sollen. In Relation gesetzt zu dem, was man anderen selbst zugestehen möchte, wird diese Frage besonders interessant.

Ich wuchs in einer Kleinfamilie mit sechs Kindern auf. In meinen frühen Jahren wurden es bereits vier. Der Vater war beruflich stark engagiert; die Mutter führte den Haushalt mit einer Menge Aufwand alleine. Das entsprach dem damals vorherrschenden Rollenbild. Klassische kindliche Anspruchsfelder waren in dieser Konstellation Essen und Trinken, Kleidung und Spielzeug. Elternzuwendung, Zimmereinrichtung oder Außenkontakte waren dagegen weniger von Bedeutung. Die Eltern waren viel beschäftigt, die Geschwisterzahl war hoch, für größere Anschaffungen war kaum Geld vorhanden und Außenkontakte zu Gleichaltrigen wurden weitgehend als nicht gewünscht behandelt.

Somit wurde meine Ausrichtung auf das zu Bekommende – hier insbesondere Essen und Trinken sowie Spielzeug mein vorrangiges Thema. Ich richtete mich in einer Spielwelt und Spielzeugwelt ein; der gezielte Aufbau einer eigenen Entwicklung und Selbstorganisation kam mir nicht wirklich zentral in den Sinn. Ich erwartete, dass ich versorgt wurde; das konnte und durfte ich immerhin erwarten. Diese Grundhaltung habe ich auch in meinen Jugendjahren und in meiner frühen Erwachsenenzeit nicht aufgegeben bzw. konzentriert weiterentwickelt. Was aus mir werden würde, das erwartete ich vorwiegend aus einem wie von selbst stattfindenen Reifungsprozess heraus, zu dem ich selbst nicht so viel Wesentliches selbst beisteuern konnte.

Hinzu kam später ein eigenes Haustier, das mir etwas zum ‚Liebhaben‘ ermöglichte. Als solches hätte ich auch gerne Freundschaftsbeziehungen gepflegt; doch konnte ein solches ‚Besitzverhältnis‘ natürlich nicht gelingen. Ein Tier in Gefangenschaft dagegen ließ sich in weiten Teilen auf diesem Beziehungsniveau halten. Meine Tiere und meine Freunde sah ich dementsprechend unangemessen positiv. Die Tiere mussten sich meine besitzergreifende Liebe gefallen lassen; bei Freundschaften gelang mir das eher mit jüngeren Spielkameraden – wobei auch noch der Aspekt einer erhofften Bewunderung durch die Kleineren hinzukam. Das war keine gute Voraussetzung für eine gelingende Beziehungsführung auf Augenhöhe im Jugend- und Erwachsenenalter. Aus ökologischer Sicht ist eine solche Fehlorientierung hier durchaus bemerkenswert. Im tiefsten Inneren spürte ich meine Zurückgebliebenheit oder auch einfach das Dysfunktionale und Unbefriedigende daran. Als mich später selbst jüngere Freunde entwicklungsmäßig überholten, verstärkte sich mein Entwicklungsdruck. Ich wollte ja nicht noch einmal in die Beziehungsregression zurück – oder doch?

Mein Berufsziel mit einundzwanzig Jahren wurde es (nach einjähriger technischer Ausbildung, Bundeswehr, Kriegsdienstverweigerung und Ersatzdienst in einem Verbund von Behinderteneinrichtungen), Lehrer zu werden. Das würde sogar professionellen Umgang mit Kindern und Jugendlichen bedeuten (s. o.). Im Rahmen einer mehrjährigen analytischen Psychotherapie hatte ich Gelegenheit, dieses strittige Thema im Rahmen der Aufarbeitung meiner Entwicklung so zu klären – mit dem Resultat, dass ich mir diese Aufgabe schließlich zutraute. In diese Zeit fiel auch der Aufbau einer Freundschaft zu einer jungen Frau, die bereit war, in die Rolle der ’starken Frau‘ zu schlüpfen. Als Überbehüteter, der es noch nicht gelernt hatte, sein Leben organisierend in die eigenen Hände zu nehmen, konnte ich so eine Art von ‚Zweit-Mutter‘ noch gut gebrauchen. Außerdem hatte sie meine ‚Marotten‘, vor allem meine ausgebildeten Genuss-Süchte zu tolerieren. Ihr ‚passte‘ diese Rolle – auch wenn ein solches Beziehungsmodell Ungleichheit beinhaltet, wie es alle meine wesentlichen Beziehungen (mit Ausnahme zu den gleichaltrigen Geschwistern) galt. Entweder war ich ’stark‘ und behauptete eine Führungsrolle (siehe meine Berufswahl) oder aber ich war ’schwach‘ und ordnete mich unter (siehe meine private Partnerschaft). Ich kann an dieser Stelle anmerken, dass es ein jahrzehntelanger Weg bis hin zu einer Partnerschaft auf Augenhöhe war. Ohne diese Entwicklung wäre ich auf Dauer unzufrieden geworden und auch aus Sicht meiner Partnerin die Beziehung als Lebensbeziehung nicht zu halten gewesen. In diesem Punkt konnte ich mich zu meinem Glück langfristig, wenn auch sehr verzögert, nachhaltiger entwickeln.

Versorgt-Werden, Sicherheit, Aufbau von Besitz: Das waren Themen meiner Berufswahl und Partnerwahl gewesen. Mit gehobenen Konsumansprüchen ging ich in das Erwachsenenalter; damit komme ich zum Haben oder zum Materiellen. Eine schöne Wohnung, ein eigenes Auto, Urlaub, Feiern und Genießen, Vermögensaufbau, Versichert-Sein – das waren Grundzüge meiner materiellen Erwartungen. Wer mehr als der Durchschnitt will, der benötigt auch ein überdurchschnittliches Einkommen. Das in Kombination mit einem Beamtenverhältnis war für mich eine gute Sache. Falls es für mich gesundheitlich nicht gut laufen würde, wollte ich wieder wie ein Kind in Sicherheit durch meine Mitwelt versorgt sein und bleiben. Das war nicht unwesentlich – hatte ich doch längst über Jahre gesundheitliche Nachteile meiner sensorisch schwelgerischen Ernährungskultur erfahren müssen.

Bleibt hier vor allem festzuhalten: Wer viel von anderen erwartet, der stellt Machtansprüche an andere. Sie werden als verpflichtet gesehen, ‚es‘ einem zu besorgen – was auch immer Inhalt des eigenen Begehrens sein mag. Hat das aber im Einzelfall wirklich so seine Berechtigung? Dies ist eine zentrale Frage, in der wir Menschen in den reichen Industrienationen irren und mit unserem daraus folgenden (individuellen wie auch kollektiven) unguten Treiben zu scheitern drohen.

5198807P1070239(stolzer Autobesitzer nach der eigenen ‚Wiederauferstehung‘)

4. Macht und Sein: Besitz verpflichtet – Es überrascht hier nicht, dass ich früh sparen lernte, um mir für meine Hobbies – Liebhaberobjekte zu Liebhaberpreisen – zu finanzieren. Diese Bereiche wuchsen mit dem Alter so: Auf die Kuscheltiere folgte eine Modelleisenbahn. Danach kamen Tonbandgerät und Musikanlage mit zahlreichen Tonträgern (einschließlich Kopien aus privatem Tausch). Viel zu früh kam auch das Auto und mit ihm horrende Folgekosten, die die eigene Ausbildungszeit deutlich verlängerten. Ich gab viel Nachhilfeunterricht, um mir über 20.000 Jahreskilometer in einem alten VW-Bus zu finanzieren. Aus heutiger Sicht sehe ich hier viel Ohnmacht gegenüber meinen eigenen, damaligen Besitz-Impulsen. Ich hatte – als wäre das nichts Besonderes – Konsumwünsche (mehr oder auch weniger bewusst) klar über eine zielstrebige Ausbildung gesetzt. Eine deutliche Parallele zu den bereits beschriebenen sensorischen Gelüsten ist hier nicht von der Hand zu weisen: Augenblicksgenuss ging ab relativ frühenen Entwicklungsaltern vor dem steten Mühen im Kleinen um eigene Entwicklung. Ich hatte mich, dabei riskante eigene Mühen aussparend, früh von ureigenen Interessen entmutigt ablenken und stattdessen von sekundären Interessen ‚kapern‘ lassen. Klein-Klein im Alltagsmühen, Pflicht und Routinen: Das war damals entschieden nichts für mich gewesen.

Darüber soll hier kein moralisches Urteil gefällt werden. Ebenso will ich nicht nachspüren, wie im Detail es zu solchen Fehlentwicklungen bei mir kommen konnte, wo davon ohnehin nichts mehr im Nachhinein beeinflussbar ist: Klar ist, dass ich damals dysfunktionale Strategien wählte, die mir zu Gewohnheiten wurden und damit Teil meines Chaakters – mit dem man die (egal ob angeborenen oder entwickelten) Neigungen zu bestimmten Verhaltensmustern und den hinter ihnen liegenden Motivationen bezeichnet. Der bisherige Werdegang ist vorbei und kann nicht mehr verändert werden; jetzt kann es nur um das Heute und um das Kommende gehen.

Mit dem Etablieren im Berufsleben kam das angestrebte gehobene Einkommen. Ihm folgte in den Schulferien umfangreiche Reisetätigkeit. Einkaufen wurde ein Zeitvertreib; auch wurde Geld gespart, das ich längere Jahre ’nach Gutsherrenart‘ wenig großzügig zur Verfügung stellte, wenn es nicht um eigene Wunschvorstellungen ging. Geld lag in meiner Hand; Kinder und Erziehung lagen vorwiegend im Machtbereich (‚Revier‘) meiner Partnerin. Es dauerte weitaus über 10 Jahre, hier – zum Glück durch beiderseitigen Leidensdruck – zu funktionaleren Haltungen und Handlungsstrategien zu gelangen.

Inzwischen gab es ein Eigenheim für die schließlich fünfköpfige Familie. Die eigene Technikverliebtheit ließ mich in die Computerwelt eintauchen. Eigene Texte ließen sich damit ebenso gut verfassen und verwalten wie auch Rechenprogramme schreiben. Später kam das Internet und mit ihm holte mich die eigene Konsumsucht wieder verstärkt ein. Damit ich mir möglichst viel leisten konnte, wurde auch auf den Preis geschaut.

Ich leistete mir 12 Jahre nach einem schweren PKW-Frontalzusammenstoß, der mir bleibende Folgeschäden und 2001 das vorzeitige berufliche Aus verursachte, wieder ein kleines Wohnmobil, das ich als eine Art rollender Reha-Klinik in Eigenregie zu nutzen entwickelte. Ich verbrachte zwei bis vier mehrwöchige Aufenthalte in Norwegen, Österreich und Südfrankreich zum Wandern, Schwimmen, Radfahren und Skiwandern. So konnte ich erfolgreich negative gesundheitliche Entwicklungen selbst organisiert günstig beeinflussen – mit einem hohen Anteil an körperlicher Betätigung mit durchaus starker Belastung in unterschiedlichem, stark reizenden Klima, dem ich mich bewusst aussetzte. Ich war dabei alleine. Der Aufenthalt in entlegenen Gebieten zwang mich zu Disziplin und meinen Körper zum Funktionieren. Das hatte etwas, was die früheren, stationären Rehabilitations-Kuren weg vom Versorgt-Werden mit Gesundheitsmaßnahmen hin in meine eigenen Hände zurück führte.

Mein Verlangen nach einem umweltfreundlicheren Alltagsauto ließ den eigenen Fahrzeugpark noch um ein kleines Elektroauto anwachsen, dem auf dieser Seite ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Hier findet dies Erwähnung, weil der Umfang meines Verlangens den eigenen Besitz stets vergrößerte und mit diesem Umstand auch vermehrten Pflegeaufwand mit sich brachte, ebenso natürlich nicht unerhebliche Folgekosten. Garten, Haus, Fahrzeuge, Gerätschaften und Geldanlage – alles bedurfte der Pflege und Wartung. Ich erlebte nachdrücklich und als durchaus belastend den Sinn der Volksweisheit: ‚Besitz verpflichtet‘.

Mit dem Erleben der eigenen Belastung durch den Besitz kam auch zunehmend das Spiegelbild auf: die Belastung der Mitwelt durch das eigene Treiben und die eigenen Ansprüche. Dieses neue ‚Fass‘, das ich um die Jahrtausendwende weit öffnete, als die eigene Gesundheit besonders stark einknickte, füllte zunehmend das eigene Bewusstsein und das wiederum verlangte nachdrücklich nach umfangreichen Änderungen in der eigenen Lebensführung wie auch Alltagsorganisation. Was es da im Laufe vieler Entwicklungsjahre an Änderungen gab, davon handeln andere Arbeiten – hier geht es aber mehr um ein ‚Schuldbekenntnis‘ – und da ist noch so vieles unerledigt! Immer wieder gibt es im Alltag Rückschläge: in der Ernährung, in der Nutzung von Fahrzeugen z. B.: Ich bleibe nicht stets bei möglichst Naturbelassenem, tierfreiem und Müllfreiem. Ich wähle doch immer wieder Auto oder Elektroauto anstatt zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs zu sein. Der eigene Fußabdruck bleibt mit Eigenheim und seinem Energiebedarf und mit der Nutzung des Autos als rollender Reha-Klinik immer noch viel zu groß – auch wenn ansonsten viele Konsumwünsche stark zurückgetreten sind.

Ebenso habe ich von Geldreservenbildung weitgehend Abschied genommen und spende lieber für ökologische, politische, mildtätige, soziale Zwecke in einem umfangreichen Spektrum – meist als Förderer in einem regelmäßigen Rahmen wie auch großzügig in Einzelfällen. Der Konsumverzicht begünstigt die Großzügigkeit; das eigene, leicht überdurchschnittliche Einkommen macht es möglich. Mein Bewusstsein des Privilegiertseins in Sachen Einkommen begünstigt diese noch nicht so alte Haltung und selbstverständliche Handlungsweise. Das wäre bei mir vor 15 Jahren so noch nicht denkbar gewesen – als wäre mein Einkommen in jedem Falle voll selbst verdient und wirklich ganz meines – nur mir und meiner Familie voll zustehend. Doch da ich meine Familie samt Kindern in guten Arbeitsverhältnissen im gesellschaftlichen und weltweiten Zusammenhang weiß: Warum noch so viel festhalten? Wozu und mit welchem wesentlichen Zweck für mein Leben in dieser Welt?

20160427_194315(veganer, saisonaler, regionaler ökologischer Pfanneneintopf zu Ende April – leicht angeschmort: Gaumenfreude ohne Verlangen nach einem Braten dazu))

Trotz alledem: Ich lebe in einer zutiefst unökologischen Lebensumgebung. Auch mein eigener Charakter wurde ganz und gar in diesem Sinne in jungen Jahren ausgebildet. Ich muss immer wieder mit meinen automatisch auftretenden, unüberlegten und dysfunktionalen Impulsen und Ansprüchen ringen, damit es auch heute und in Zukunft in einer ordentlicheren Richtung weiter geht.