1.96 Twike zum Zweiten: Mobilität neu gedacht, aber das gute Konzept in Konkurrenz zu herkömmlichen PKW nicht konsequent genug umgesetzt

Mobilität neu gedacht, aber nicht massentauglich umgesetzt:

1. Das Twike-Konzept und meine Verbindung dazu

Dies ist zum zweiten Mal eine wohlwollend kritische Würdigung eines ziemlich guten Fahrzeugkonzeptes, das aber in mehr als 20 Jahren Geschichte teilweise nur halbherzig umgesetzt und weiter entwickelt wurde. Das bemerke ich besonders, wenn ich auf den in den Startlöchern stehenden Nachfolger blicke, der als Twike 5 teilweise dem Elektro-Boliden Tesla nachzueifern scheint. Ich stehe dem Konzept des bisherigen Twike 3 im Grunde hoch positiv gegenüber, weil auch nach mehr als 20 Jahren immer noch kein ökologisch sinnvolles Auto auf dem Markt existiert – bin aber von seiner gesamten Umsetzung in Bezug auf den viel zu dünnen Servicebereich enttäuscht, obwohl ich dem Projekt von Herzen eine bessere Zukunft wünsche. Das Twike ist zuverlässig. Aber warum nur gibt es so wenige Werkstätten, in denen man sich damit auskennt? Ich weiß es leider nicht und habe aus Rosenthal vom Hersteller auch keine Antwort hierauf bekommen.

Zurück zum Anfang: Was habe ich selbst mit dem Twike zu tun? Ich bin ein reiner Nutzer und dazu noch ein Wiederholungstäter. Nach einer ersten Besitzerperiode (Twike 583 mit 3 NiCd-Akkublocks, betreut von Twike Leister in Leun/Lahn) 2000-2003 habe ich seit 2015 wieder ein Twike (Twike 939 mit 4 LiIon-Akkublocks, aktuell betreut vom Twike Service Ruhrgebiet in Herten). Das hätte eigentlich nicht sein dürfen, denn ich habe mein erstes aufgegeben, nachdem sich eine eklatante Schwäche des Gesamtkonzeptes schmerzlich gezeigt hatte: Nach nur gut 16.500 Gesamtkilometern (anstatt erwarteter 60.000 km) hätte ich für meinen Bedarf einen kompletten Akkusatz von 9.000,- € benötigt. Eine Leasingmöglichkeit oder zumindest die einer Versicherung gegen frühen Akku-Tod gab es in der Twike-Gruppe nicht, weder beim Mutterbetrieb noch bei den Werkstätten. Alleine Akkukosten von 56 Cent pro Fahrkilometer sind aber für niemanden akzeptabel und so gab ich mein Fahrzeug nach knapp zweieinhalb Jahren mit gewaltigem Wertverlust zum Verkauf.

Wie kam ich dazu, dieses Wagnis dennoch wieder einzugehen, obwohl ich doch ein schwer gebranntes Kind war? Dahinter steckte vor allem eine moralische Entscheidung: Ich wollte mein erspartes Geld nicht länger durch unser unsolides, weltweit zerstörerisch wirkendes Finanzkarussell Unheil in dieser Welt anrichten lassen (rasante Enteignung von ‚unten nach oben‘ – ‚Eurorettung‘ usw.) und kündigte meine Lebensversicherung vor deren Ablaufdatum. Da ich mit knapp 64 Jahren körperlich abgebaut hatte, wollte ich mir neben meinem Fahrrad auch ein ökologisch sinnvolles, alltagstaugliches Auto zulegen. Das war auf dem Markt aber nirgends zu finden. So fiel meine Wahl – sozusagen aus ‚Not auf höchstem Niveau‘ – erneut auf das Twike. Es war nun noch teurer – bot aber wenigstens ein deutlich besseres, leichteres und ausdauernderes Akkusystem. Bisher habe ich mit TW 939 10.000 eigene Kilometer zurückgelegt.

 

2. Warum nicht ein Auto wie für die meisten?

Um meine (teilweise unglückliche) Liebe zum Twike darzustellen, muss ich mit den immer noch üblichen, tonnenschweren Stinker-Autos beginnen, die heute unsere Straßen lärmend und die Luft verpestend verstopfen – die dazu noch unglaublich viel Abstellraum benötigen. Das ist nun wirklich, für jedermann wahrnehmbar, ein ökologisch unsinniges und nicht verantwortbares Mobilitätskonzept. Doch wir hängen geradezu magisch an diesem – wider besseres Wissen und gegen jede Vernunft. Wie können wir das als verantwortliche Käufer bzw. Betreiber solcher Fahrzeuge nur zulassen?;-)

 

Das Auto:

  • Bei uns Massenfortbewegungsmittel Nummer 1,
  • Faszination hoch beschleunigte Bewegung,
  • enorme Reichweite
  • Ganzjahres-Wetterschutz
  • Hochsicherheits-Fahrgastzelle
  • Identifikationsobjekt und Statussymbol

Rein zahlenmäßig besitzt jeder zweite Deutsche ein eigenes Auto. Er/sie gibt dafür monatlich im Schnitt 350 bis 800 €  aus. Das ist ein erheblicher Teil des Einkommens – meist ein höherer als der für die Ernährung. Auto ist eben wichtiger und bereichert das Alltagsleben mehr…?

Doch die nicht zu leugnende Faszination dieses Fortbewegungsmittels ist auch von einer Kehrseite begleitet:

  • die schon erwähnten hohen privaten Kosten,
  • zu denen auch noch erhebliche öffentliche hinzukommen,
  • der ungeheure Raumbedarf für die Fortbewegung im Auto und für das Abstellen,
  • der Verkehrslärm, der fast allgegenwärtig ist,
  • die besonders großen Gefahren für alle Verkehrsteilnehmer, die sich nicht in einer solchen Hochsicherheitszelle befinden,
  • das enorme Gewicht der Fahrzeuge, das in keinem sinnvollen Verhältnis zur transportierten Masse steht,
  • der äußerst giftige Treibstoff und die ebenso gefährlichen Abgase, die auch stark zur Klimaerwärmung beitragen.

Tröstlich: Die Mehrheit junger Menschen lehnt bereits heute den Besitz eines solchen Verkehrsmittels für sich selbst ab. Nutzen und Kosten (nicht nur für den Nutzer, sondern auch für Mitmenschen und Umwelt) stehen für sie nicht in einem verantwortbaren Verhältnis.

3. Das TWIKE als echte Automobil-Alternative

Das haben vor fast 30 Jahren bereits etliche in gleicher Weise gesehen und praktisch versucht, die hoch beschleunigte Fortbewegung in einem Fahrzeug neu zu denken: runter mit dem Gewicht, fort von den giftigen fossilen Treibstoffen – dennoch flott und sicher bei jeder Witterung und für Flachland wie auch fürs Gebirge. Junge studentische Pioniere entwarfen das Twike, das seit 1996 als Serienfahrzeug hergestellt wird. Du hast noch nie etwas vom Twike als Elektroauto gehört? Kein Wunder – gibt es davon doch nur insgesamt unter 1200 Fahrzeuge bisher. Aus der Kleinserie kam das Twike nie heraus und deshalb ist es auch ziemlich teuer. Doch das Twike schaffte es, als echtes ‚Leichtfahrzeug‘ in Serie zu gehen, was dem zeitgleich entwickelten Smart nicht gegönnt war: Aus ihm wurde gegen den Willen seines geistigen Vaters Hayek (bekannt als Produzent der Swatch-Uhren) doch ein 750 kg schweres Straßenmonster, auch wenn es das kleinste Großserienfahrzeug in Deutschland blieb. Mit Akkus wiegt ein Twike dagegen um die 280 kg und somit nur ein Drittel eines Smart, obwohl es ebenfalls für zwei Personen konzipiert ist.

 

Am Twike ist so ziemlich alles anders als an einem gewöhnlichen PKW:

  • Die Passagiere steigen durch eine nach oben geklappte Fronthaube aus Verbundglas in eine leichte Kunststoffwanne mit schmalen Sitzen, die eine integrierte Kopfstütze besitzen.
  • Sie sitzen fast so tief wie auf einem Schlitten und haben, mit Dreipunktgurten angeschnallt, einen Panoramablick durch die große Glaskuppel.
  • Der Fahrer bedient die Steuerung über eine Stockhebellenkung samt Beschleunigung, elektrischer Bremse sowie den Blinkern.
  • Scheibenwischer, Scheibenwaschanlage, Lichthupe Hupe und Fernlicht bedient er mit der linken Hand am Hebel für die Handbremse, die auch eine Fünfgangschaltung trägt.
  • Beide Personen können in Liegeradhaltung über Pedale das Fahrzeug mit antreiben, was die Reichweite erhöht und niemanden im Winter frieren lässt – ganz ohne eine zusätzliche Heizung.
  • 250 Liter Stauraum befinden sich hinter den Sitzen.
  • Insgesamt ist trotz einem Leergewicht von 280 kg eine Zuladung von gut 250 kg möglich – fast 90%.
  • Der Antrieb kommt mit 3KW Leistung aus, was gut 4 PS entspricht.
  • Die Beschleunigung reicht für 50 km/h nach gut 10 Sekunden.
  • Als Höchstgeschwindigkeit erreicht es 85 km/h.
  • Entgegen beschönigenden Angaben sind etwa 7 KWh Strom je 100 km Fahrstrecke zum Laden der Akkus erforderlich, was aber von der Energiemenge her nur einem Dreiviertelliter Benzin entspricht. Ein Dreiliterauto ist ein vierfach durstigerer Säufer dagegen.
  • Kommt der Strom solar vom eigenen Hausdach oder von einem echten Ökostromanbieter, dann ist die Antriebsenergie fast emissionsfrei.

 

4. Warum sich eine solch tolle Idee dennoch nicht durchgesetzt hat bisher?

  1.  Wir bevorzugen heute immer noch schwerere und extrem schnelle Protzgefährte – die SUV’s zeugen von diesem ungebrochenen Imponier-Trend und einem Verlangen nach einer gegen fast alles sichernden Panzerung im Straßenverkehr. Offensichtlich sind das Imponiergehabe und die Angst vor Schäden durch Kollisionen größer als die Bereitschaft zum Leichtgefährt mit einem gemäßigten Antrieb, das zum bewussten und entspannten Dahingleiten einlädt. Das Twike ist seiner Zeit auch heute noch voraus; wir PKW-Nutzer ticken immer noch nicht kompatibel zu einem leichten Antriebskonzept und so fristet es ein Nischendasein auf dem Fahrzeugmarkt. Nach über 26.000 Twike-Kilometern weiß ich natürlich auch einiges, was dem Twike zu größerem als dem bisherigen Erfolg verhelfen könnte.
  2. Es benötigt eine noch größere Kippsicherheit, denn einen Elchtest würde auch das Twike nicht bestehen, obwohl es flotte Kurven fahren kann. Ein in Entwicklung befindlicher Nachfolger verspricht in diesem Punkte Besserung.
  3. Ihm fehlt ein größeres Werkstattnetz, damit es nicht so weit bis zur nächsten Werkstatt ist.
  4. Es braucht einen bequemerer Ein- und Ausstieg, denn es wird dabei Beweglichkeit, Körperspannung und etwas Kraft benötigt.
  5. Eine bessere Geräuschdämmung gegen Lärm im Innenraum durch Getriebe und Abrollgeräusche (von außen hört man dagegen fast gar nichts) würde den Passagieren gut tun. Das gilt auch für den Pedalantrieb im Innenraum. Ich weiß, Ingenieure sind teuer und Dämmung bringt auch Gewicht mit sich, aber hier ist noch kein Optimum erreicht.
  6. Es benötigt günstigere Akkusätze, vor allem auch auf Leasingbasis, was den Kaufpreis fast halbieren würde. Die Folgekosten wären dennoch tragbar.
  7. ein fehlendes starkes Kaltluftgebläse, das die Frontscheibe bei Bedarf rasch vor Beschlagen schützt (meines hat durch einen kleinen Zusatzschalter aus dem Twike Center Benediktneuern ein solches)
  8. geringere Windempfindlichkeit: z B. durch einen größeren Andruck auf dem Vorderrad, was die Seitenwindempfindlichkeit mindern würde (meines fährt zu diesem Zweck erfolgreich mit 18 kg Taucherblei, angeklettet im Fußraum vorne)
  9. ein besserer Schutz vor fremdem Zugriff auf den Innenraum – hier habe ich auch noch keine Lösung gefunden – allerdings auch keine negativen Erfahrungen gemacht.
  10. eine bessere Selbst-Reparierbarkeit, ohne durch die Hochspannung (350V Gleichstrom) gefährdet zu werden wie z. B. Glühbirnenwechsel hinten, für den ich in die 80 km entfernte Werkstatt muss
  11. kürzere Reparaturzeiten nach Unfallschäden
  12. geringere Gesamtkosten pro Kilometer: Ich habe in dokumentierter Vollkostenrechnung bei 4000 km pro Jahr incl. Wertverlust (o,25 €/km), Akkuansparung (0,36 €), Steuern, Versicherung, Stromkosten und Werkstattkosten (zusammen 0,35 €) einen Gesamtposten von 0,96 €/km ermittelt.
  13. An dieser Stelle sei jedoch angemerkt, dass das Twike dabei an den heute üblichen Hochsicherheits- und Hochkomfort-Fahrzeugen gemessen wird, was bei dem Streben nach einem Leichtfahrzeug teilweise widersinnig ist – aber unseren Jahrzehnte alten Denkgewohnheiten entspricht.

5. Dennoch hat dieses Konzept so viele automobile Vorzüge, dass sie der näheren Betrachtung und eine konsequenten Umsetzung wert sind.

  • Das Fahrzeug kann mit einer Hand geschoben werden, wenn die Handbremse nicht angezogen ist.
  • Die Glaskuppel ermöglicht einen hervorragenden Panorama-Ausblick.
  • Ein durchdachtes Sicherheitskonzept schützt Insassen und andere Unfallbeteiligte bei Unfällen (auch Überschlag) vor Verletzungen.
  • Es verfügt über Lenkradsperre und einen Schutzcode gegen unbefugtes Starten
  • Die Beleuchtung ist absolut einem PKW ebenbürtig.
  • Man kann mittreten und sich so bewegen, dass man z. B. im Winter ohne Heizung nicht friert, man muss aber nicht.
  • Das optionale Pedalieren kombiniert den Gesundheitsvorteil des Fahrrades mit einem Elektroauto.
  • Die Reichweite erlaubt einen Luftlinienradius von 100 km ohne jedes Nachladen und die gleiche Strecke zurück am selben Tag.
  • Die Ladung ermöglicht 1 km Fahrstrecke je Minute Ladezeit.
  • Pro Jahr bzw. 10.000 km ist nur eine Inspektion erforderlich.
  • Das Twike passt in kleinste Lücken und hat einen großen Sympathiefaktor.
  • Zum Unterstellen genügt ein Viertel einer Garage.
  • Das Twike macht keinen Lärm; es wird eher von unachtsamen Fußgängern und Radfahrern überhört.
  • Es erzeugt weder Abgase noch Feinstaub, solange Solarstrom vom Dach oder Ökostrom die Akkus füllt.
  • Es ist ganzjahres- und allwettertauglich.
  • Die Karosserie rostet nicht.
  • Alle Ersatzteile sind bei Bedarf erhältlich.

 

6. Wo es hakt und was zu bessern wäre

Nach meinen Erfahrungen versäumt es der Hersteller Fine Mobile aus Rosenthal leider, sich maßvoll zu vergrößern. Man verlässt sich zu sehr darauf, dass das Konzept auch noch in einigen Jahren ausreichend gefragt sein wird, dass das kleine Team weiterhin davon leben kann. Zwar ist ein größerer, schnellerer und sichererer Nachfolger in Entwicklung, doch existiert bis heute weder ein Preis noch ein sicherer Produktionsstart und eine dafür absehbare Frist. Ebenso versäumte man es, das Akkusystem auch im Leasing anzubieten, was die Kosten für das Twike bei der Anschaffung nahezu halbieren würde. Damit wäre das Twike aktuell, mit der existierenden öffentlichen Elektroauto-Förderung, deutlich günstiger beim Neukauf als heute: gut 16.000 – 26.000 € statt heute 30.000 – 40.000 €. Warum nutzt man bei Fine Mobile diese große Chance für eine größere Verbreitung des Twike nicht?

Aus ökologischer Sicht ist das Unabhängigkeitsstreben der familiären Manufaktur ausgesprochen sinnvoll – man hat sich nicht erheblich verschuldet und ist nicht in der Hand von Banken bzw. Aktionären, die das Unternehmen vor sich hertreiben und zum starken Wachstum zwingen. Solidität und Selbstkontrolle sind der Lohn für dieses Wirtschaftskonzept.

Aus nachhaltigem Blickwinkel nicht sinnvoll dagegen sind zwei gravierende Schwachpunkte des Twike-Gesamtprojektes: Erstens das Unterbleiben eines Leasings für die Akkus und zweitens der vernachlässigte Aufbau eines ausreichenden Kundendienstnetzes. Es gibt zu wenige Werkstätten und deren Betreiber überaltern. Im bisherigen Modus ist das Konzept damit in 10 – 15 Jahren tot, wenn sich keine neuen Kräfte für Wartung und Reparatur finden. Eine mir persönlich bekannte renommierte Werkstatt in Leun/Lahn wird vom Hersteller – obwohl seit 20 Jahren aktiv, kompetent und gut – nicht einmal mehr gelistet, obwohl der Betreiber dort einen größeren Twike-Kundenstamm langjährig betreut. Das ist für einen erfahrenen Nutzer wie ich es bin nur schwer nachvollziehbar. Wurden hier gar Hürden für das Recht der Namensnutzung künstlich vom Mutterbetrieb aufgebaut? So jedenfalls gelingt eine resiliente Zukunftsfestigkeit eines Unternehmens sicher nicht so richtig. Auf diese aktuell gelebte Weise würde das Twike trotz aller Liebe vom Hersteller und der Nutzer ein sterbendes Konzept und ein Umsteuern von der Unternehmensseite ist daher dringend geboten, wenn das vermieden werden soll. Mein Twike ist in 15 Jahren 22 Jahre alt und ich dann vielleicht 81 Jahre. Ob bis dahin die großen Hersteller auch kleine, leichte und leise Elektroautos können, falls Fine Mobile das nicht hinbekommen sollte…?;)

Auch wenn ich weiß, dass im Grunde jedes Automobil eine gewisse Zumutung für die Mitwelt bedeutet, so würde sich das Stadtbild wie auch der Lärmpegel durch solche Fahrzeuge wie das Twike radikal positiv verändern: Es wäre viel weniger Parkfläche erforderlich; außerdem würden die Straßenzüge erheblich von Verkehrslärm entlastet. Treibstoffgestank und Feinstaub würden ganz erheblich nachlassen. Von daher ist dem Fahrzeugkonzept eine gute Zukunft zu wünschen, dem Hersteller eine mutigere Firmenpolitik, Firmen- und Produktweiterentwicklung und in diesem Zuge ein größerer Käuferkreis.

 

7. Nachspann: erfolgreiche Mobilitäts-Alternativen, Twike 3 vs. Twike 5, eine individuelle Vollkostenrechnung und ein Schlusswort im Hinblick auf den gesellschaftlichen Bedarf

1. Bleibt mir im ersten Nachspann die erfreuliche Wahrnehmung einer anderen, weit machtvolleren und besser gelingenden ökologisch sinnvollen Entwicklung: die Erfolgsgeschichte des sich rasant ausbreitenden Pedelecs. Hier gelingt mit jährlich hunderttausenden neu verkauften Fahrzeugen erheblich besser der Umstieg in eine maßvoll motorisierte Mobilität, vor allem im urbanen Bereich. Dabei transportieren dann nur 25 kg Transportmittelgewicht einen drei- bis viermal schwereren Menschen, was ein löbliches Verhältnis zwischen Transportmittel und transportierter Last darstellt. Ebenfalls kann sich die Reichweite der Akkus heute sehen lassen – ermöglichen sie doch immerhin 40 bis 140 km mit einer Ladung, je nach gewählter Unterstützungsstufe. Das Mehrgewicht gegenüber einem gleichwertigen Fahrrad ohne elektrische Unterstützung beträgt für Akku, Motor und stärkere Komponenten wegen der höheren Belastungen für die Mechanik in der Regel nur 6-7 kg. Man bewegt sich gegenüber dem Auto beim Fahren und setzt sich den Klimareizen aus. So tut man auch etwas für die eigene Gesundheit. Die nächste Werkstatt ist bei Bedarf, zumindest in Städten, nie weit entfernt. Die Monteure haben sich in der neuen Fahrradtechnik angepasst und sich in ihr fortgebildet. Warum sollte das für ein automobiles Leichtbaukonzept nicht ebenfalls möglich sein, in dem mehr Geschwindigkeit, größeres Lastengewicht, Allwetterschutz und besserer Personenschutz nötig sind?

2. Zum ergänzenden Abspann noch Links zu meinen anderen beiden Twike-Artikeln: Twike zum ersten und Twike zum Zweiten

3. Ein weiterer Nachspann: Der Hersteller hat in den vergangenen Jahren neben diesem Typ ‚Twike 3‘ nun einen neuen Typ (Twike 5) bis nahe an die Serienreife entwickelt, für die nun ein Crowdfunding über Kaufinteressenten läuft. Dieser Typ soll bis zu 200 km/h schnell sein, wiegt dann über eine halbe Tonne Gewicht und ist von der Fahrzeuggröße auch deutlich breiter als das bisherige Twike. Keine Frage: Dieses Elektrofahrzeug verbraucht auch deutlich mehr Energie für seine Fahrleistungen. Ich persönlich ziehe es in Zweifel, ob diese Entwicklungsentscheidung wirklich zukunftstauglicher ist als eine gezielt leichtere und noch schnittigere Weiterentwicklung des Twike 3 – eventuell auch als noch schmaleren Einsitzer mit vielleicht nur 120 – 150 kg Gewicht. Schließlich muss hoch beschleunigter Zukunftsverkehr mit deutlich weniger Raum und Energie auskommen, als das bisher üblich war.  Allerdings will ich auch nicht die enormen, durchaus faszinierenden Ingenieursleistungen unerwähnt lassen, die dieses rasante Fahrzeug mit nur zwei Dritteln Gewicht eines weitaus klobigeren Smart bei weitaus besseren Fahrleistungen auskommen lassen. Hier steckt sicher sehr viel Liebe und noch mehr Arbeit wie auch Geld in diesem sicher auch faszinierenden Projeht.

Doch die Zukunft benötigt nicht besonders schnelle, sondern weitaus effizientere Elektroautos, die durch geringes Gewicht und geringen Energiebedarf gekennzeichnet sind. Hochgeschwindigkeit und maximale Beschleunigung vertragen sich nicht mit einer solchen Grundidee. Das Twike 3 war mit seiner Beschleunigung von 0 auf 50 km/h in 10 Sekunden voll ausreichend; auch die Höchstgeschwindigkeit von 85 km/h genügt in der Stadt, auf Landstraßen sowie auf Umgehungsringen vollauf. Klar geht das manchem Tempoversessenen oder unter Zeitstress Stehendem vielleicht nicht schnell genug, wenn er ein Twike vor sich hat – aber da werden diese Menschen in Zukunft alle ohnehin grundsätzlich umdenken lernen müssen. Dem könnte ein fortschrittlicher Hersteller positiv zuarbeiten. Schade dass das von Rosenthal leider nicht ausgeht, wo das Twike produziert wird. Doch es werden sich andere finden, die diese Idee konsequenter gestalten werden – so wie das bei der ersten Konzeption des Twike vor  bald 30 Jahren durch Schweizer Ingenieursstudenten höchst bemerkenswert geschah. Sie sind die Urheber des Twikes, wie man es seit über 20 Jahren auf unseren Straßen erleben kann – wenn auch nur in einer Auflage von etwa 1200 Exemplaren.

vierter Nachspann: eine Vollkostenrechnung von März 2015 bis März 2017, wobei ich 8.300 Kilometer zurüchgelegt hatte (alle Kosten sind durch Rechnungen belegt, sofern sie nicht durch Abschreibungen ermittelt wurden):

  • Wartung und Reparaturen März 2017:                                                                 781,49 €
  • Wartung 2016 und Reparaturen bis Ende 2016:                                             1.893,66 €
  • Energiekosten 7 Kwh/100 km bei 0,27 €/Kwh:                                                  156,87 €
  • Akkukosten ausgehend von 10 Jahren Lebensdauer bei 14.400,- € NP:  2.880,00 €
  • Wertverlust Twike ohne Akkus 1.000,- € p. a.:                                              2.000,00 €
  • gesamt bis März 2017: 8.400 km mit 7.712,02 € = 0,93 €/km bei 321,33 € monatlichen Kosten
  • Update vom 20. 5. 2017: 10.000 km mit 8.244,- € = 0,82 €/km bei monatlichen Kosten von 309,- €
  • Warum kam mich mein Twike 939 so teuer? Mein Twike zeigte kurz nach dem Erwerb eine Reihe von versteckten Mängeln, die teils durch den Verkäufer, aber in wesentlichen Teilen auch auf meine Kosten repariert wurden. Es stehen immerhin alters- und laufleistungsmäßig unübliche 1.400,- € von mir getragene Reparaturkosten in der Vollkostenrechnung. Außerdem ist meine Kilometerleistung mit bisher 4.150 km pro Jahr relativ niedrig im Vergleich zu einem durchschnittlichen PKW-Besitzer. Setzt man eine doppelt hohe Laufleistung an, so muss ich wohl einen Reifenaustausch von 200,- € hinzurechnen, 157,- € Energiekosten und erziele dann mit 8.069,- € nach 16.300 km einen Kilometerkosten-Posten von knapp 0,49 €, was sich schon ganz anders liest. Die monatlichen Kosten würden dann 335,- € erreichen.
  • Bei eher üblichen ’nur‘ 400,- € Reparaturkosten hätte der Kilometerpreis bei knapp 0,83 € gelegen; mit der doppelten Laufleistung und dem dann unvermeidlichen Reifenwechsel plus Energiekosten hätte mich ein Kilometer mit dem Twike noch 0,43 € gekostet. Würde ich eine Fahrleistung von jährlich 11.000 km zugrunde legen, dann käme ich auf einen Kilometerpreis von 0,33 €.
  • Der Löwenanteil entfällt dabei auf die Abschreibungen. Twikefahren ist nicht billig. Wem das zu teuer vorkommt, der lese allerdings die ADAC-Vollkostenrechnungen für übliche PKW, die alle teurer ausfallen – hier mehr auch durch Treibstoffverbrauch und höheren Wertverlust. Ein anderer Vergleich: Bei einer Jahresleistung von 10.000 Fahrradkilometern mit hochwertigen Reiserädern habe ich in meiner Vollkostenrechnung ebenfalls 0,10 € je Kilometer zahlen müssen, die sich aus Wertabschreibung und Reparatur-/Wartungskosten speisen.
  • Immerhin: Die Kosten eines Twike lassen sich durchaus mit den Vollkosten eines üblichen Kleinstwagens vergleichen – bei weitaus geringeren Umweltschädigungen durch Lärm, Abgase sowie Erdölförderung und -verarbeitung – nicht zuletzt den größeren Platzbedarf der mehrfach schwereren Karossen und das mit ihnen einhergehende viel höhere Verletzungsrisiko für andere Verkehrsteilnehmer. Fazit: durchaus wie jeder übliche PKW kostenträchtig, aber ein deutlicher Schritt hin in eine ökologisch sinnvollere motorisierte Fortbewegung in allwettertauglicher Karosserie. Teure Lärmschutzwälle benötigen Anwohner zu ihrem Schutz bei solchen Elektroautos nicht.
  • Nun gut: Für Kleinstkinder und körperlich stark eingeschränkte Menschen eignet sich das Twike nicht. Auch für sehr Ängstliche, denen der fehlende starke Panzer um sich herum im Straßenverkehr Furcht verursacht, ist das Twike nichts. Für die große Mehrzahl der Automobil Fahrenden könnte das Twike mit kreativen Anpassungen ein geeignetes und vollwertiges Alltagsfahrzeug sein. Doch es bedarf der Menschen, die diese Umsetzung leisten.

Also insgesamt bei allen Stärken und Schwächen des TWIKE-Konzeptes von Herzen: Autofahren geht doch anders. Darum: Es lebe das TWIKE!